Inwiefern Umkleide- und Desinfektionszeiten und innerbetriebliche Wegezeiten Bestandteil der geschuldeten tariflichen Arbeitszeit sind und damit grundsätzlich auch vergütungspflichtig sind, hängt davon ab, ob sie zu den versprochenen Diensten i. S. d. § 611 BGB zählen.
Nach der Rechtsprechung des BAG zählt zur Leistung der versprochenen Dienste nicht nur die eigentliche Arbeitsleistung, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Der Arbeitgeber verspricht die Vergütung aller Dienste, die er dem Arbeitnehmer aufgrund seines arbeitsvertraglich vermittelten Weisungsrechts abverlangt. "Arbeit" im Sinne dieser Bestimmungen ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient.
In Bezug auf die Fremdnützigkeit ist es nach der Rechtsprechung des BAG erforderlich, dass der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und/oder der Umkleidevorgang im Betrieb erfolgen muss. In diesem Fall macht er mit seiner Weisung das Umkleiden und das Zurücklegen des Wegs von der Umkleide- zur Arbeitsstelle zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung. Anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn das Umkleiden und Desinfizieren nicht Bestandteil der eigentlichen (Haupt-)Leistungspflicht sind, sondern Vor- bzw. Nachbereitungshandlungen darstellen, die nicht allein fremdnützig sind. In diesem Fall sind sie nicht Teil der "versprochenen Dienste" und daher nicht nach § 611 BGB vergütungspflichtig.
Die Voraussetzung, dass eine Tätigkeit wie das Umkleiden der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, sieht das BAG als erfüllt an, wenn sie nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt.
Dies ist der Fall, wenn das An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung gefordert ist, denn die Beschäftigten haben außerhalb ihrer Arbeitszeit an der Offenlegung der von ihnen ausgeübten beruflichen Tätigkeit gegenüber Dritten kein objektiv feststellbares eigenes Interesse. Die Notwendigkeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung und der damit verbundene Zeitaufwand des Arbeitnehmers beruhen auf der Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung während der Arbeitszeit, weshalb der Arbeitgeber Vergütung für die durch den Arbeitnehmer hierfür im Betrieb aufgewendete Zeit schuldet.
Dagegen ist das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung etwa, die zu Hause angelegt und - ohne besonders auffällig zu sein - auch auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann, nicht lediglich fremdnützig. Die dafür aufgewendete Zeit ist regelmäßig keine Arbeitszeit im Sinne des § 612 Abs. 1 BGB. Dies gilt entsprechend, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich besonders auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen, und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen. In diesen Fällen dient das Umkleiden außerhalb des Betriebs nicht nur einem fremden Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg einsetzen muss oder sich aus anderen, selbstbestimmten Gründen gegen das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet.
Neben der Frage der Fremdnützigkeit der Umkleidezeiten (qualitative Zuordnung zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit) stellt sich die weitere Frage der Vergütungserwartung nach § 612 BGB, denn die rechtliche Bewertung der Umkleidezeiten als Teil der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsleistung rechtfertigt nicht den Schluss, der Arbeitgeber sei zur Vergütung dieser Zeiten verpflichtet. Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Umkleidezeiten getroffen werden. Aus der Anwendung des TVöD ergibt sich kein Ausschluss der Vergütung. Denn der TVöD regelt nicht - insbesondere nicht § 6 TVöD - Beginn und Ende der vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Auch eine Zuordnung, welche Tätigkeiten zur Arbeitszeit zählen, enthält diese Tarifnorm nicht. In § 6 TVöD ist lediglich die Dauer der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit enthalten. Sonach fehlt es zwar auch an einer Regelung, dass Umkleidezeiten Arbeitszeit sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Regelungen des TVöD sich aus anderen Rechtsgrundlagen ergebende Ansprüche ausschließen. Ein derartiger Wille hat in den Bestimmungen des TVöD keinen erkennbaren Niederschlag gefunden. Damit verbleibt es bei dem Grundsatz, dass die zusätzlichen Zeiten wie Arbeitszeit zu vergüten sind.
In welchem zeitlichen Umfang Umkleide- und Desinfektionszeiten sowie innerbetriebliche Wegezeiten der Arbeitszeit zuzurechnen sind, ergibt sich, soweit keine anderweitige Regelung besteht, nach allgemeinen Grundsätzen.
Das BAG hatte hierzu im Jahr 2011 für den Fall, dass Wasch- und Umkleidezeiten pauschal (auf Basis einer zeitlichen Vorgabe) vergütet werden, entschieden, dass keine über die übliche Arbeitszeit hinausgehende...