BAG, Urteil v. 20.6.2018, 5 AZR 377/17
Zwar kann die Geltendmachung des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 EFZG trotz seiner Unabdingbarkeit nach § 12 EFZG grundsätzlich einer tariflichen Ausschlussfrist unterworfen werden; eine solche ist jedoch nach § 3 Satz 1 MiLoG unwirksam, soweit sie auch den während Arbeitsunfähigkeit nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EFZG fortzuzahlenden gesetzlichen Mindestlohn erfasst.
Sachverhalt
Dem Kläger, der seit dem Jahr 2012 bei dem beklagten Bauunternehmen als gewerblicher Arbeitnehmer mit einem Stundenlohn von zuletzt 13,00 EUR brutto beschäftigt ist, wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 17.9.2015 ordentlich zum 31.10.2015 gekündigt. Daraufhin meldete sich der Kläger arbeitsunfähig krank und legte der Beklagten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Diese verweigerte dann die Entgeltfortzahlung für den Monat Oktober. Der Kläger machte mit Schriftsatz vom 18.1.2016 seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geltend. Dieser Anspruch sei nicht verfallen, da die hier einschlägige Ausschlussfrist des für allgemeinverbindlich erklärten § 14 Abs. 1 BRTV-Bau, wonach alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden, insgesamt unwirksam sei, da sie den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnehme.
Die Entscheidung
Das Arbeitsgericht hatte die Klage bezüglich des den gesetzlichen Mindestlohn von seinerzeit 8,50 EUR je Stunde übersteigenden Anteils der Forderung abgewiesen. Der Anspruch sei insoweit nach § 14 BRTV verfallen. Im Umfang des gesetzlichen Mindestlohns hatte es der Klage entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.
Das BAG urteilte, dem Kläger stehe einen Entgeltfortzahlungsanspruch für die Zeit seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit gem. § 3 Abs. 1 i. V. m. § 4 Abs. 1 EFZG zu; denn danach habe der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Zeit, die infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ausfällt, das Entgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall bei Erbringung der Arbeitsleistung erhalten hätte, er somit auch zumindest während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns habe. Zwar folge der Anspruch nicht unmittelbar aus § 1 MiLoG, da hiernach der Mindestlohn nur für tatsächlich geleistete Arbeit zu entrichten ist. Da jedoch ein Arbeitnehmer im Falle der Arbeitsunfähigkeit so zu stellen sei, als hätte er gearbeitet, bleibe ihm auch der Mindestlohn als untere Grenze des fortzuzahlenden Entgelts erhalten.
Dieses Ergebnis, den Entgeltfortzahlungsanspruch in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns entsprechend zu sichern, lasse sich auch aus dem Schutzzweck des § 3 Satz 1 MiLoG herleiten. Folge hiervon sei, dass tarifliche oder vertragliche Vereinbarungen, welche die Geltendmachung des fortzuzahlenden Mindestlohns i. S. d. § 3 Satz 1 MiLoG beschränken, insoweit unwirksam seien.