BAG, Urteil vom 18.7.2017, 9 AZR 259/16
Leitsätze (amtlich)
1. Berücksichtigt ein Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, trotz dessen Eignung nicht bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes, geht der Anspruch des Arbeitnehmers auf Verlängerung seiner Arbeitszeit gem. § 275 Abs. 1 BGB unter, sobald der Arbeitgeber den Arbeitsplatz mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt.
2. Hat der Arbeitgeber den Untergang des Anspruchs des Arbeitnehmers zu vertreten, hat dieser Anspruch auf Schadensersatz (§ 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 281 Abs. 2, § 283 Satz 1 BGB). § 249 Abs. 1 BGB, demzufolge der Zustand herzustellen ist, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, führt jedoch nicht dazu, dass der Arbeitgeber verpflichtet wird, mit dem Arbeitnehmer die Verlängerung der Arbeitszeit zu vereinbaren. Die Wertung des Gesetzgebers in § 15 Abs. 6 AGG, wonach der Arbeitnehmer selbst bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG grundsätzlich keinen Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg hat, steht einem solchen Anspruch entgegen.
Sachverhalt
Die Klägerin, bei der Beklagten als Krankenschwester beschäftigt, war seit dem 1.8.2006 in unterschiedlichem Beschäftigungsumfang einer Vollzeitkraft für unterschiedliche Zeiträume tätig, seit Oktober 2011 hatte sie eine 50 %-Stelle. Anfang Februar 2015 äußerte die Klägerin gegenüber der Beklagten unter Hinweis auf § 9 TzBfG ihr Interesse an einer Vollzeitstelle. Die Beklagte stellte zum 1.4.2015 5 examinierte Krankenschwestern in Vollzeit ein, informierte die Klägerin jedoch nicht im Vorfeld über die freien Stellen. Diese vertrat nun die Ansicht, sie habe gem. § 9 TzBfG einen Anspruch auf eine Vollzeitstelle.
Die Entscheidung
Die hierauf gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.
Nach Auffassung des BAG war die Beklagte nicht dazu verpflichtet, das Angebot der Klägerin, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf 39 Stunden zu erhöhen, anzunehmen; denn die Klägerin hat weder einen Aufstockungsanspruch aus § 9 TzBfG noch ergibt sich ein solcher im Wege des Schadensersatzes.
Das Gericht führte hierzu aus, dass gem. § 9 TzBfG teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer grundsätzlich bei gleicher Eignung einen Anspruch auf Vollzeitbeschäftigung bei der Besetzung eines freien Arbeitsplatzes haben. Allerdings lagen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 9 TzBfG nicht vor, da es hier an einem freien Arbeitsplatz fehlte; denn zum maßgeblichen Zeitpunkt – das war der Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LAG – bestanden bei der Beklagten keine freien Stellen. Durch die Besetzung der freien Stellen zum 1.4.2015 war es der Beklagten gem. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden, den Anspruch der Klägerin aus § 9 TzBfG zu erfüllen. Ein Anspruch auf Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes besteht nicht.
Der Arbeitgeber kann in solch einem Fall zwar zu Schadensersatz aus § 275 Abs. 1 und 4, § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 2, § 283 Satz 1 BGB verpflichtet sein; dieser ist aber auf einen finanziellen Ausgleich beschränkt und führt nicht zu einem Anspruch auf Vertragsänderung; denn dies würde der Wertung des § 15 Abs. 6 AGG widersprechen, wonach bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen ein Benachteiligungsverbot grundsätzlich kein Anspruch auf die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses besteht.