BAG, Urteil v. 30.8.2017, 7 AZR 204/16
Leitsätze (amtlich)
1. Das dem TV-L unterfallende Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, dem vom zuständigen Rentenversicherungsträger eine unbefristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bewilligt wurde, endet nach § 33 Abs. 3 TV-L nicht aufgrund der in § 33 Abs. 2 TV-L bestimmten auflösenden Bedingung, wenn der Arbeitnehmer trotz seines eingeschränkten Leistungsvermögens auf seinem bisherigen oder einem anderen geeigneten und freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann und er seine Weiterbeschäftigung form- und fristgerecht i. S. v. § 33 Abs. 3 TV-L beim Arbeitgeber beantragt hat.
2. Hat der Arbeitgeber ein nach § 84 Abs. 2 SGB IX notwendiges betriebliches Eingliederungsmanagement unterlassen, trifft ihn eine erweiterte Darlegungslast zum Nichtbestehen von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nach § 33 Abs. 3 TV-L. Er hat von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer bereits genannte Beschäftigungsalternativen zu prüfen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen sowohl eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen als auch die Beschäftigung auf einem anderen – leidensgerechten – Arbeitsplatz ausscheiden.
Sachverhalt
Die Klägerin, schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50, ist bei dem beklagten Land mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von zuletzt 39,5 Stunden beschäftigt. Der TV-L findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Mit Bescheid vom 8./9.4.2014 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg der Klägerin ab dem 1.3.2014 eine Rente wegen voller Erwerbminderung befristet bis zum 28.2.2017 bzw. eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung längstens bis zum 31.10.2024 (Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze).
Mit Schreiben vom 15.4.2014 beantragte die Klägerin beim beklagten Land ihre Weiterbeschäftigung. Am 14.5.2014 fand ein Gespräch zwischen der Klägerin und mehreren Mitarbeiterinnen statt, in dem es um ihre Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ging. Ebenfalls am 14.5.2014 wurden an Personalstellen des beklagten Landes E-Mails verschickt, um evtl. bestehende Beschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin zu ermitteln. Die angefragten Dienststellen gaben sog. "Fehlmeldungen" ab. Mit Schreiben vom 18.7.2014 teilte das beklagte Land der Klägerin mit, ihr Arbeitsverhältnis ende gem. § 33 Abs. 2 TV-L i. V. m. § 15 Abs. 2 TzBfG mit Ablauf des 7.8.2014.
Daraufhin erhob die Klägerin Klage, um feststellen zu lassen, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht nach § 33 Abs. 2 TV-L geendet habe. Aufgrund des Rentenbescheids vom 8./9.4.2014 sei ihr lediglich eine bis zum 28.2.2017 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt worden, sodass die auflösende Bedingung des § 33 Abs. 2 Satz 1 TV-L nicht eingetreten sei, sondern ihr Arbeitsverhältnis ruhe. Jedenfalls bestünden zahlreiche Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten i. S. v. § 33 Abs. 3 TV-L.
Die Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg.
Das Gericht entschied, dass das Arbeitsverhältnis nicht gem. § 33 Abs. 2 Satz 1 TV-L am 7.8.2014 geendet habe.
Das BAG führte hierzu aus, dass nach § 33 Abs. 2 Satz 1 TV-L das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats ende, in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers (Rentenbescheid) zugestellt wird, wonach die/der Beschäftigte voll oder teilweise (dauerhaft) erwerbsgemindert ist. Das Arbeitsverhältnis ende nach § 33 Abs. 2 Satz 5 TV-L dagegen nicht, wenn nach dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers eine Rente auf Zeit gewährt wird. Hier ruhe das Arbeitsverhältnis nach § 33 Abs. 2 Satz 6 TV-L für den Zeitraum der Rentengewährung. Zudem ende nach § 33 Abs. 3 TV-L das Arbeitsverhältnis im Fall der teilweisen Erwerbsminderung nicht, wenn der Beschäftigte nach seinem vom Rentenversicherungsträger festgestellten Leistungsvermögen auf seinem bisherigen oder einem anderen geeigneten und freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könne, soweit dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe nicht entgegenstehen, und der Beschäftigte innerhalb von 2 Wochen nach Zugang des Rentenbescheids seine Weiterbeschäftigung schriftlich beantragt. Weiter führte das Gericht aus, dass ein Arbeitsplatz "frei" und darum dem Arbeitnehmer auf dessen form- und fristgerecht gestellten Antrag anzubieten sei, wenn dieser nach seinem verbliebenen Leistungsvermögen darauf eingesetzt werden könne und wenn der Arbeitsplatz im Zeitpunkt des Weiterbeschäftigungsantrags unbesetzt sei oder feststehe, dass er bis zum Ablauf der Frist des § 33 Abs. 3 TV-L oder in absehbarer Zeit danach frei werde. Insoweit sei ein Arbeitgeber auch verpflichtet, durch zumutbare Umsetzungen einen Arbeitsplatz frei zu machen. Eine Verpflichtung, einen Arbeitsplatz zu schaffen, um ihn dann dem Arbeitnehmer anbieten zu können, bestehe jedoch nicht.
Im vorliegenden Fall hatte somit das Arbeitsverhältnis nach § 33 Abs. 3 TV-L nicht geendet, da die Klägerin ihre Weiterbeschäftigung ordnungsgemäß verlangt und das beklagte Land ...