Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen. Artikel 104 § 3 Absatz 1 der Verfahrensordnung. Sozialpolitik. Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Richtlinie 80/987/EWG (geändert durch die Richtlinie 2002/74/EG). In einem Vergleich vereinbarte Entschädigung. Durch die Garantieeinrichtung sichergestellte Zahlung. Zahlung, die den Erlass einer gerichtlichen Entscheidung voraussetzt
Beteiligte
María Cristina Guerrero Pecino |
Fondo de Garantía Salarial (Fogasa) |
Tenor
Sind nach der betreffenden nationalen Regelung Entschädigungen wegen rechtswidriger Kündigung, die durch ein Urteil oder eine Verwaltungsentscheidung zugesprochen worden sind, nach dem nationalen Recht als Abfindungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers in der Fassung der Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 anzusehen, so sind gleichartige Entschädigungen, die in einem gerichtlichen Vergleich wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden festgesetzt werden, ebenfalls als Abfindungen im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Das nationale Gericht darf eine Regelung, die dadurch gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt, dass sie diese Entschädigungen vom Begriff der Abfindungen im Sinne der genannten Vorschrift ausnimmt, nicht anwenden.
Tatbestand
In der Rechtssache C-177/05
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Juzgado de lo Social Único Algeciras (Spanien) mit Entscheidung vom 30. März 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 20. April 2005, in dem Verfahren
María Cristina Guerrero Pecino
gegen
Fondo de Garantía Salarial (Fogasa)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Schiemann sowie der Richterin N. Colneric (Berichterstatterin) und des Richters E. Juhász,
Generalanwalt: A. Tizzano,
Kanzler: R. Grass,
in der Absicht, durch mit Gründen versehenen Beschluss nach Artikel 104 § 3 Absatz 1 seiner Verfahrensordnung zu entscheiden,
nach Anhörung des Generalanwalts
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283, S. 23) in der Fassung der Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 (ABl. L 270, S. 10) (im Folgenden: Richtlinie).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Guerrero Pecino und dem Fondo de Garantía Salarial (Lohngarantiefonds, im Folgenden: Fogasa) wegen der Weigerung des Fogasa, der Betroffenen im Rahmen seiner subsidiären Haftung eine Entschädigung wegen rechtswidriger Kündigung zu zahlen, weil die Zahlung dieser Entschädigung in einem gerichtlichen Vergleich zwischen Frau Guerrero Pecino und ihrem Arbeitgeber vereinbart worden sei.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsregelung
3 Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie bestimmt, dass diese „für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber [gilt], die zahlungsunfähig im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 sind”.
4 Nach ihrem Artikel 2 Absatz 2 lässt die Richtlinie das einzelstaatliche Recht bezüglich der Begriffsbestimmung der Worte „Arbeitnehmer”, „Arbeitgeber”, „Arbeitsentgelt”, „erworbenes Recht” und „Anwartschaftsrecht” unberührt.
5 Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vorbehaltlich des Artikels 4 Garantieeinrichtungen die Befriedigung der nicht erfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen sicherstellen, einschließlich, sofern dies nach ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehen ist, einer Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.”
6 Nach Artikel 4 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten die in Artikel 3 der Richtlinie vorgesehene Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen begrenzen, indem sie die Dauer des Zeitraums festlegen, für den die Garantieeinrichtung die nicht erfüllten Ansprüche zu befriedigen hat, oder indem sie Höchstgrenzen für die von der Garantieeinrichtung zu leistenden Zahlungen festsetzen.
7 Nach ihrem Artikel 10 Buchstabe a steht die Richtlinie „nicht der Möglichkeit der Mitgliedstaaten entgegen, … die zur Vermeidung von Missbräuchen notwendigen Maßnahmen zu treffen”.
Spanische Regelung
8 Artikel 33 Absätze 1 und 2 des Königlichen Gesetzesdekrets Nr. 1/1995 vom 24. März 1995 zur Billigung des neu gefassten Textes des Arbeitnehmerstatuts (Estatuto de los Trabajadores, BOE Nr. 75 vom 29. März 1995, S. 9654) in der Fassung des Gesetzes Nr. 60/1997 vom 19. Dezember 1997 (BOE Nr. 304 vom 20. Dezember 1997, S. 37453) (im Folgenden: Arbeitn...