Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts. Prüfungsordnung für die Prüfung zur Erlangung der Berechtigung zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs
Normenkette
EuGH-VerfO Art. 104
Beteiligte
Commissione per gli esami di avvocato presso la Corte d'appello di Milano |
Ministero della Giustizia |
Tenor
Die Artikel 81 EG, 82 EG und 43 EG stehen einer Bestimmung wie der in Artikel 22 des Gesetzesdekrets Nr. 1578 vom 27. November 1933 enthaltenen nicht entgegen, wonach sich der Prüfungsausschuss für die Prüfung, von deren Bestehen der Zugang zum Beruf eines Rechtsanwalts abhängt, aus fünf vom Minister der Justiz ernannten Mitgliedern zusammensetzt, und zwar zwei Richtern, einem Professor der Rechtswissenschaft und zwei Rechtsanwälten, wobei die Letztgenannten vom Consiglio nazionale forense (Nationaler Rat der Rechtsanwaltskammern) auf gemeinsamen Vorschlag der Räte der Rechtsanwaltskammer des betreffenden Bezirks benannt werden.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia (Italien) mit Entscheidung vom 13. November 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Juni 2003, in dem Verfahren
Giorgio Emanuele Mauri
gegen
Ministero della Giustizia,
Commissione per gli esami di avvocato presso la Corte d'appello di Milano
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans (Berichterstatter) sowie der Richter C. Gulmann, R. Schintgen, J. Makarczyk und J. Klucka,
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: R. Grass,
nach Unterrichtung des vorlegenden Gerichts von der Absicht des Gerichtshofes, gemäß Artikel 104 § 3 seiner Verfahrensordnung durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
nachdem den in Artikel 23 der Satzung des Gerichtshofes bezeichneten Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist,
nach Anhörung des Generalanwalts
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen bezieht sich auf die Auslegung „der Bestimmungen des EG-Vertrags, in denen der Schutz der gemeinschaftlichen Grundsätze des Wettbewerbs und der Nichtdiskriminierung verankert ist”.
2 Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits des Herrn Mauri (Kläger) gegen das Ministero della Giustizia (Ministerium der Justiz) und die Commissione per gli esami di avvocato presso la Corte d'appello di Milano (Kommission für die Rechtsanwaltsprüfungen bei der Corte d'appello Mailand) wegen der Nichtzulassung des Klägers zur mündlichen Prüfung des Staatsexamens für die Berechtigung zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs (im Folgenden: Staatsexamen).
Die nationale Regelung
3 Nach der Vorlageentscheidung ist in Italien der Zugang zur Ausübung der Tätigkeit des Rechtsanwalts von der Ablegung eines Staatsexamens abhängig.
4 Nach Artikel 22 des Königlichen Gesetzesdekrets Nr. 1578 vom 27. November 1933 (GURI Nr. 281 vom 5. Dezember 1933, S. 5521, im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 1578/33) in seiner zeitlich auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung werden die Prüfungsausschüsse für das Staatsexamen vom Ministerium der Justiz bestellt und setzen sich aus fünf Mitgliedern zusammen, und zwar zwei Rechtsanwälten, die seit mindestens acht Jahren bei einer Kammer des Bezirks der Corte d'Appello, bei der das Examen abgelegt wird, eingetragen sind, zwei Richtern desselben Bezirks mit mindestens der Qualifikation eines Beisitzers an der Corte d'Appello und einem ordentlichen Professor der Rechtswissenschaft oder einem Assistenzprofessor, der an einer Universität oder Hochschule lehrt.
5 Der Consiglio nazionale forense (Nationaler Rat der Rechtsanwaltskammern, im Folgenden: CNF) ernennt auf gemeinsamen Vorschlag der Räte der Kammer des betreffenden Bezirks die beiden dem Prüfungsausschuss angehörenden Rechtsanwälte, von denen der Minister der Justiz einen zum Vorsitzenden und den anderen zum stellvertretenden Vorsitzenden dieses Ausschusses ernennt.
Das Ausgangsverfahren und die Vorlagefrage
6 Im Dezember 2001 nahm der Kläger im Bezirk der Corte d'Appello Mailand an der schriftlichen Prüfung für das Staatsexamen teil. Nach der Korrektur der Prüfungsarbeiten durch den Prüfungsausschuss erhielt er eine Punktzahl, die nicht für die Zulassung zur mündlichen Prüfung ausreichte, von der er daher ausgeschlossen wurde.
7 Der Kläger erhob beim vorlegenden Gericht Klage auf Aufhebung der ihm gegenüber erlassenen Entscheidung. Er machte u. a. geltend, dass die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses, wie sie in Artikel 22 des Gesetzesdekrets Nr. 1578/33 vorgesehen sei, unter Verstoß gegen die Artikel 3 Buchstabe g EG, 28 EG, 49 ff. EG, 81 EG und 82 EG keine unparteiische Beurteilung erlaube und keinen korrekten Wettbewerb um den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts garantiere.
8 Das vorlegende Gericht führt aus, die Beanstandungen des Klägers erschienen nicht völlig unbegründet, soweit es um die Befugnisse der Räte, also der leitenden Organe der Rechtsanwaltskam...