Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des 'einzelstaatlichen Gerichts' im Sinne von Artikel 177 EG-Vertrag. Kooperationsabkommen EWG-Marokko. Artikel 40 Absatz 1. Verbot der Diskriminierung im Bereich der sozialen Sicherheit. Unmittelbare Wirkung. Bedeutung. Ablehnung der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis, wodurch die Beschäftigung eines marokkanischen Arbeitnehmers in einem Mitgliedstaat beendet wird
Beteiligte
Secretary of State for the Home Department |
Tenor
Artikel 40 Absatz 1 des am 27. April 1976 in Rabat unterzeichneten und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2211/78 des Rates vom 26. September 1978 im Namen der Gemeinschaft genehmigten Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko untersagt es einem Mitgliedstaat grundsätzlich nicht, es abzulehnen, die Aufenthaltserlaubnis eines marokkanischen Staatsangehörigen, dem er die Einreise und die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt hat, für die gesamte Dauer dieser Beschäftigung zu verlängern, wenn der ursprüngliche Grund für die Gewährung des Aufenthaltsrechts bei Ablauf der ursprünglichen Aufenthaltserlaubnis nicht mehr besteht.
Anders verhält es sich nur, wenn dem Betroffenen durch ein derartiges Vorgehen das Recht auf tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung, das ihm durch eine von der zuständigen nationalen Behörde ordnungsgemäß erteilte Arbeitserlaubnis erteilt wurde, die länger als die Aufenthaltserlaubnis war, entzogen würde, ohne daß Gründe des Schutzes eines berechtigten Interesses des Staates, namentlich Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit, dies rechtfertigten. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob dies der Fall ist.
Tatbestand
In der Rechtssache C-416/96
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom Immigration Adjudicator (Vereinigtes Königreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Nour Eddline El-Yassini
gegen
Secretary of State for the Home Department
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 40 Absatz 1 des am 27. April 1976 in Rabat unterzeichneten und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2211/78 des Rates vom 26. September 1978 (ABl. L 264, S. 1) im Namen der Gemeinschaft genehmigten Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko
erläßt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten P. J. G. Kapteyn, J.-P. Puissochet, G. Hirsch und P. Jann sowie der Richter G. F. Mancini, J. C. Moitinho de Almeida, C. Gulmann, D. A. O. Edward, H. Ragnemalm, L. Sevón, M. Wathelet und R. Schintgen (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Léger
Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- des Nour Eddline El-Yassini, vertreten durch P. Duffy, QC, und Barrister T. Eicke,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Ridley, Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigte im Beistand von Barrister E. Sharpston,
- der Bundesregierung, vertreten durch Ministerialrat E. Röder und Oberregierungsrat B. Kloke, Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch K. Rispal-Bellanger und C. Chavance, Abteilungsleiterin und Sekretär für Auswärtige Angelegenheiten in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater P. J. Kuijper und E. J. Paasivirta, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen des Nour Eddline El-Yassini, der Regierung des Vereinigten Königreichs, der französischen Regierung und der Kommission in der Sitzung vom 10. März 1998,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. Mai 1998,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1.
Der Immigration Adjudicator hat mit Zwischenentscheidung vom 20. Dezember 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Dezember 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung von Artikel 40 Absatz 1 des am 27. April 1976 in Rabat unterzeichneten und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2211/78 des Rates vom 26. September 1978 im Namen der Gemeinschaft genehmigten Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko (ABl. L 264, S. 1, im folgenden: Abkommen EWG-Marokko) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen dem marokkanischen Staatsangehörigen Nour Eddline El-Yassini (Kläger) und dem Secretary of State for the Home Department (Innenminister) wegen dessen Weigerung, die Aufenthaltserlaubnis des Klägers im Vereinigten Königreich zu verlängern.
3.
Nach den Akten erhielt der Kläger am 1. Januar 1989 unter Auflage eines Beschäftigungsverbots als Besucher die Erlaubnis zur Einreise in das Vereinigte Königreich.
4.
Am 10. Oktober...