Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Freizügigkeit. Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung. Ausnahmen. Bereiche der Versorgungsdienste für Wasser, Gas und Elektrizität. Staatsangehörigkeitserfordernis für den Zugang zu den Stellen, die keine Teilnahnme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse oder an der Wahrung der allgemeinen Belange des Staates mit sich bringen. Unzulässigkeit
Leitsatz (amtlich)
Ein Mitgliedstaat, der bei der Beschäftigung innerhalb der mit der Wasser-, Gas- und Elektrizitätsversorgung beauftragten Personen des öffentlichen Rechts den Besitz seiner Staatsangehörigkeit zur Voraussetzung des Zugangs auch zu anderen als nur denjenigen Stellen macht, die eine unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse oder an der Wahrnehmung solcher Aufgaben mit sich bringen, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet sind, verstösst gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 48 des Vertrages und aus Artikel 1 der Verordnung Nr. 1612/68 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft. Da nämlich die Stellen in diesen Bereichen im allgemeinen weit von den spezifischen Tätigkeiten der öffentlichen Verwaltung entfernt sind, kann der Umstand, daß bestimmte Stellen in diesen Bereichen unter Artikel 48 Absatz 4 des Vertrages fallen können, es nicht rechtfertigen, daß ein Mitgliedstaat allgemein für sämtliche dieser Stellen ein Staatsangehörigkeitserfordernis aufstellt.
Normenkette
EWGVtr Art. 48; EWGV 1612/68 Art. 1
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
1. Das Königreich Belgien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 48 EG-Vertrag und aus Artikel 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft verstossen, daß es die belgische Staatsangehörigkeit zur Voraussetzung des Zugangs auch zu anderen als denjenigen Stellen gemacht hat, die innerhalb der mit der Wasser-, Gas- und Elektrizitätsversorgung beauftragten Personen des öffentlichen Rechts eine unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse oder an der Wahrnehmung solcher Aufgaben mit sich bringen, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet sind.
2. Das Königreich Belgien trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 22. Juni 1994 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 48 EWG-Vertrag und den Artikeln 1 und 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) verstossen hat, daß es Arbeitnehmern aus den anderen Mitgliedstaaten für den Zugang zur Beschäftigung als Beamter oder Angestellter im öffentlichen Dienst in öffentlichen Versorgungseinrichtungen für Wasser, Gas und Elektrizität (wie beispielsweise der Compagnie intercommunale bruxelloise des eaux, der Vlaamse Maatschappij voor Watervoorziening, der Unerg, der Sibelgaz usw.) weiterhin ein Staatsangehörigkeitserfordernis entgegenhält.
2 Artikel 48 Absätze 1 bis 3 EWG-Vertrag, jetzt EG-Vertrag, verankert den Grundsatz der Freizuegigkeit der Arbeitnehmer und der Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten. Nach Artikel 48 Absatz 4 findet dieser Artikel keine Anwendung auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes betrifft Artikel 48 Absatz 4 diejenigen Stellen, die eine unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und an der Wahrnehmung solcher Aufgaben mit sich bringen, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates und anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet sind, so daß sie ein Verhältnis besonderer Verbundenheit des jeweiligen Stelleninhabers zum Staat sowie die Gegenseitigkeit der Rechte und Pflichten voraussetzt, die dem Staatsangehörigkeitsband zugrunde liegen. Hingegen gilt die Ausnahme in Artikel 48 Absatz 4 nicht für Stellen, die zwar dem Staat oder anderen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen zuzuordnen sind, jedoch keine Mitwirkung bei der Erfüllung von Aufgaben mit sich bringen, die zur öffentlichen Verwaltung im eigentlichen Sinne gehören (Urteil vom 17. Dezember 1980 in der Rechtssache 149/79, Kommission/Belgien, Slg. 1980, 3881, Randnrn. 10 und 11).
3 Die Artikel 1 und 7 der Verordnung Nr. 1612/68 erwähnen den Grundsatz der Gleichbehandlung beim Zugang zur Beschäftigung bzw. deren Ausübung.
4 Die Kommission stellte fest, daß in Belgien die Beschäftigung in den Versorgungssystemen für Wasser, Gas und Elektrizität allgemein belgischen S...