Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern. Auslegung des Begriffs der „Familienleistung” im Sinne von Art. 4 Abs. 1 h der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Ablehnung von Kindergeld für unterhaltsberechtigte Kinder. Auswirkungen der Entscheidung eines Mitglieds des Geschäftspersonals einer konsularischen Dienststelle nach Art. 16 Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 für die Anwendung der Rechtsvorschriften des entsendenden Mitgliedstaats auf die Bewilligung von Kindergeld im Mitgliedstaat des Wohnsitzes. Erforderlichkeit der Zustimmung oder sonst einer Mitwirkung des mitbetroffenen Ehegatten zu der Ausübung des Wahlrechts durch den entsendeten Ehegatten. Wirkung der Ausübung des Wahlrechts hinsichtlich des Kindergeldes durch den Ehemann für die ebenfalls dem entsendenden Staat angehörende Ehefrau
Normenkette
EGV (jetzt Art. 234 EGV) Art. 177; EWGV 1408/71 Art. 16 Abs. 2 S. 1
Beteiligte
Bundesrepublik Deutschland |
Tenor
Die Entscheidung eines Mitglieds des Geschäftspersonals einer konsularischen Dienststelle gemäß Artikel 16 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung für die Anwendung der sozialrechtlichen Vorschriften des entsendenden Mitgliedstaats, dessen Staatsangehöriger es ist, bewirkt nicht, daß sein Ehegatte keinen Anspruch mehr auf eine Vergünstigung der sozialen Sicherheit hat, die ihm die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem er wohnt, unabhängig von der sozialen Absicherung seines Ehegatten sichern.
Gründe
1.
Das Landessozialgericht Niedersachsen hat mit Beschluß vom 22. Mai 1997, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Juni 1997, gemäß Artikel 234 EG (früher Artikel 177) zwei Fragen nach der Auslegung von Artikel 16 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. L 28, S. 1) (im folgenden: Verordnung Nr. 1408/71) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Gómez Rivero (Klägerin) und der Bundesanstalt für Arbeit (im folgenden: Bundesanstalt) wegen eines Bescheides, mit dem der Klägerin mit Wirkung vom 1. Februar 1995 das Kindergeld für ihre beiden unterhaltsberechtigten Kinder entzogen wurde.
Das Gemeinschaftsrecht
3.
Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 lautet:
”Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.”
4.
Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 sieht vor:
”Die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die diese Verordnung gilt, haben die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen.”
5.
Unter dem Titel II (”Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften”) ist in Artikel 13 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:
”(1)
Vorbehaltlich des Artikels 14c unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2)
Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt folgendes:
a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;
…
f)
eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliegt, ohne daß die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen der Artikel 14 bis 17 auf sie anwendbar würden, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften.”
6.
Artikel 16 der Verordnung Nr. 1408/71 (5Sonderregelung für das Geschäftspersonal der diplomatischen Vertretungen und der konsularischen Dienststell...