Entscheidungsstichwort (Thema)
ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: COLLEGE VAN BEROEP VOOR HET BEDRIJFSLEVEN – NIEDERLANDE. FREIER DIENSTLEISTUNGSVERKEHR – ARTIKEL 59 EWG-VERTRAG – VERBOT DER TELEFONISCHEN KUNDENWERBUNG FUER FINANZDIENSTLEISTUNGEN. 1. Freier Dienstleistungsverkehr ° Bestimmungen des Vertrages ° Geltungsbereich ° Dienstleistungen, die potentiellen Leistungsempfängern in anderen Mitgliedstaaten telefonisch angeboten werden ° Einbeziehung (EWG-Vertrag, Artikel 59). 2. Freier Dienstleistungsverkehr ° Bestimmungen des Vertrages ° Geltungsbereich ° Dienstleistungen, die ohne Ortswechsel des Leistungserbringers von einem Mitgliedstaat zum anderen erbracht werden ° Einbeziehung (EWG-Vertrag, Artikel 59). 3. Freier Dienstleistungsverkehr ° Beschränkungen ° Verbot ° Geltungsbereich ° Maßnahmen, die im Mitgliedstaat der Niederlassung des Leistungserbringers unterschiedslos gelten ° Einbeziehung (EWG-Vertrag, Artikel 59). 4. Freier Dienstleistungsverkehr ° Beschränkungen ° Begriff ° Verbot der telefonischen Werbung potentieller Kunden in anderen Mitgliedstaaten ° Einbeziehung (EWG-Vertrag, Artikel 59). 5. Freier Dienstleistungsverkehr ° Beschränkungen ° Verbot der grenzueberschreitenden telefonischen Kundenwerbung für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen in Warenterminverträgen ° Rechtfertigung durch Gründe des Allgemeininteresses ° Aufrechterhaltung des guten Rufes des Finanzsektors des das Verbot erlassenden Mitgliedstaats ° Verhältnismässigkeit des Verbots ° Zulässigkeit (EWG-Vertrag, Artikel 59)
Leitsatz (amtlich)
1. Die Geltung der Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr hängt nicht vom vorherigen Bestehen einer Beziehung zwischen einem Leistungserbringer und einem bestimmten Leistungsempfänger ab. Artikel 59 des Vertrages ist deshalb dahin auszulegen, daß er für telefonische Dienstleistungsangebote gilt, die ein Leistungserbringer in anderen Mitgliedstaaten ansässigen potentiellen Leistungsempfängern macht.
2. Artikel 59 des Vertrages ist dahin auszulegen, daß er für Dienstleistungen gilt, die ein Leistungserbringer in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Leistungsempfängern ohne Ortswechsel von dem Mitgliedstaat aus erbringt, in dem er ansässig ist.
3. Artikel 59 des Vertrages betrifft nicht nur vom Staat des Leistungsempfängers, sondern auch vom Staat des Leistungserbringers auferlegte Beschränkungen, selbst wenn es sich dabei um Maßnahmen handelt, die allgemein anwendbar und nicht diskriminierend sind und die weder bezwecken noch bewirken, dem nationalen Markt einen Vorteil gegenüber den Dienstleistungserbringern aus anderen Mitgliedstaaten zu verschaffen.
4. Das Verbot, mit potentiellen Kunden in einem anderen Mitgliedstaat ohne deren vorherige Zustimmung telefonisch Kontakt aufzunehmen, kann eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen, weil es den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern ein schnelles und direktes Mittel der Werbung und der Kontaktaufnahme nimmt.
5. Das in einem Mitgliedstaat für die dort ansässigen Finanzvermittler geltende Verbot, mit potentiellen Kunden in einem anderen Mitgliedstaat ohne deren vorherige Zustimmung telefonisch Kontakt aufzunehmen, um ihnen Dienstleistungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen in Warenterminverträgen anzubieten, stellt zwar eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar, ist aber durch den zwingenden Grund des Allgemeininteresses, den die Aufrechterhaltung des guten Rufes des nationalen Finanzsektors darstellt, gerechtfertigt. Das ordnungsgemässe Funktionieren der Finanzmärkte hängt nämlich weitgehend von dem Vertrauen ab, das sie bei den Kapitalanlegern genießen. Dieses Vertrauen hängt insbesondere davon ab, daß eine Berufsregelung besteht, die die Sachkunde und Zuverlässigkeit der Finanzvermittler gewährleisten soll. Indem das Verbot des „cold calling” auf einem so spekulativen Markt wie dem Warenterminmarkt die Kapitalanleger vor einer Form der Kundenwerbung schützt, durch die sie im allgemeinen überrascht werden, bezweckt es die Gewährleistung der Integrität des nationalen Finanzsektors.
Da der Mitgliedstaat, von dem aus der nicht erbetene Telefonanruf vorgenommen wird, am ehesten in der Lage ist, die Werbung potentieller Kunden in einem anderen Mitgliedstaat zu regeln, kann ihm kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß er dies nicht dem Staat des Leistungsempfängers überlässt. Die fragliche Beschränkung kann auch nicht als unverhältnismässig angesehen werden, da das Verbot nur für einen Markt, auf dem Mißbräuche festgestellt worden sind, und für eine einzige der in Betracht kommenden Möglichkeiten der Kontaktaufnahme mit Kunden gilt.
Normenkette
EWGVtr Art. 59
Beteiligte
Tenor
1) Artikel 59 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß er Dienstleistungen erfasst, die ein Leistungserbringer potentiellen Leistungsempfängern, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, telefonisch anbietet und die er ohne Ortswechsel von dem Mitgliedstaat aus erbringt, in dem er ansäs...