Entscheidungsstichwort (Thema)

Assoziierungsabkommen EWG-Türkei. Beschluß des Assoziationsrates. Soziale Sicherheit. Inkrafttreten. Unmittelbare Wirkung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Völkerrechtliche Verträge – Assoziierungsabkommen EWG-Türkei – Durch das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei geschaffener Assoziationsrat – Beschluß über die soziale Sicherheit der Arbeitnehmer – Inkrafttreten zum Zeitpunkt des Erlasses des Rechtsaktes, wenn eine ausdrückliche Vorschrift fehlt

2. Völkerrechtliche Verträge – Verträge der Gemeinschaft – Unmittelbare Wirkung – Voraussetzungen – Beschluß Nr. 3/80 des durch das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei eingesetzten Assoziationsrates über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer – Keine unmittelbare Wirkung

1. Der Beschluß Nr. 3/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten auf die türkischen Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige ist mangels einer entsprechenden ausdrücklichen Vorschrift am Tag seines Erlasses in Kraft getreten und bindet seither die Vertragsparteien. Aus den Artikeln 6, 22 Absatz 1 und 23 des Assoziierungsabkommens EWG-Türkei ergibt sich, daß die Beschlüsse des Assoziationsrates Rechtsakte eines im Abkommen vorgesehenen Organs sind, zu deren Erlaß dieses Organ von den Vertragsparteien ermächtigt worden ist. Da durch diese Beschlüsse die Ziele des Abkommens verwirklicht werden, hängen sie unmittelbar mit diesem Abkommen zusammen und sind nach dessen Artikel 22 Absatz 1 Satz 2 für die Vertragsparteien verbindlich.

2. Ebenso wie die Bestimmungen von Verträgen der Gemeinschaft mit Drittländern sind die Vorschriften, die ein durch ein Assoziierungsabkommen zur Durchführung der Vorschriften dieses Abkommens eingesetzter Assoziationsrat erlassen hat, als unmittelbar anwendbar anzusehen, wenn sie unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Abkommens eine klare und eindeutige Verpflichtung enthalten, deren Erfüllung oder deren Wirkungen nicht vom Erlaß eines weiteren Aktes abhängen.

Diese Voraussetzungen erfüllt der Beschluß Nr. 3/80 des Assoziationsrates EWG–Türkei über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten auf die türkischen Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige nicht.

Ebenso wie die Verordnung Nr. 1408/71, auf die der Beschluß Nr. 3/80 verweist und die ebenfalls die Koordinierung der verschiedenen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft bezweckt, den Erlaß von Durchführungsmaßnahmen erforderlich gemacht hat, die Gegenstand der Verordnung Nr. 574/72 sind, ist dieser Beschluß seiner Art nach dazu bestimmt, durch einen weiteren Rechtsakt des Rates ergänzt und in der Gemeinschaft durchgeführt zu werden.

Somit haben die Artikel 12 und 13 dieses Beschlusses, solange der Rat nicht die zur Durchführung des Beschlusses unerläßlichen ergänzenden Maßnahmen erlassen hat, in den Mitgliedstaaten keine unmittelbare Wirkung und begründen daher für den einzelnen nicht das Recht, sich vor den innerstaatlichen Gerichten auf sie zu berufen.

 

Normenkette

Assoziierungsabkommen EWG-Türkei Art. 6, 22 Abs. 1, 23; Beschluß Nr. 3/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei Art. 12-13

 

Beteiligte

Z. Taflan-Met

S. Altun-Baser

E. Andal-Bugdayci

O. Akol

Bestuur van de Sociale Verzekeringsbank und O. Akol gegen Bestuur van de Nieuwe Algemene Bedrijfsvereniging

Arrondissementsrechtbank Amsterdam – Niederlande

Bestuur van de Nieuwe Algemene Bedrijfsvereniging

 

Tenor

1. Der Beschluß Nr. 3/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf die türkischen Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige ist am Tag seines Erlasses, d. h. am 19. September 1980, in Kraft getreten und bindet seither die Vertragsparteien.

2. Die Artikel 12 und 13 des Beschlusses Nr. 3/80 haben, solange der Rat nicht die zur Durchführung dieses Beschlusses unerläßlichen ergänzenden Maßnahmen erlassen hat, in den Mitgliedstaaten keine unmittelbare Wirkung und begründen daher für den einzelnen nicht das Recht, sich vor den innerstaatlichen Gerichten auf sie zu berufen.

 

Gründe

1 Die Arrondissementsrechtbank Amsterdam hat mit Beschluß vom 23. August 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Oktober 1994, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung der Artikel 12 und 13 des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf die türkischen Arbeitnehmer und auf deren Familienangehörige (ABl. 1983, C 110, S. 60; nachstehend: Beschluß Nr. 3/80) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der Assoziationsrat wurde durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei eingesetzt, das am 12. September 1963 in Ankara von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Geme...

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