Entscheidungsstichwort (Thema)
Europäisches Parlament. Wahlen. Wahlrecht. Voraussetzungen des Wohnsitzes in den Niederlanden für die niederländischen Bürger von Aruba. Unionsbürgerschaft
Beteiligte
College van burgemeester en wethouders van Den Haag |
Tenor
1. Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und in einem Gebiet ansässig oder wohnhaft sind, das zu den überseeischen Ländern und Hoheitsgebieten im Sinne des Artikels 299 Absatz 3 EG gehört, können sich auf die den Unionsbürgern im Zweiten Teil des EG-Vertrags eingeräumten Rechte berufen.
2. Beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts steht nichts dem entgegen, dass die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für das aktive und passive Wahlrecht für die Wahlen zum Europäischen Parlament unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts nach dem Kriterium des Wohnsitzes in dem Hoheitsgebiet, in dem die Wahlen abgehalten werden, festlegen; der Grundsatz der Gleichbehandlung verbietet es jedoch, dass die gewählten Kriterien eine Ungleichbehandlung von Staatsangehörigen bewirken, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, ohne dass diese Ungleichbehandlung objektiv gerechtfertigt ist.
3. Es ist Sache der Rechtsordnung des jeweiligen Mitgliedstaats, die Maßnahmen für die Wiederherstellung der Rechte einer Person (rechtsherstel) festzulegen, die aufgrund einer gemeinschaftsrechtswidrigen nationalen Vorschrift nicht in das Wählerverzeichnis für die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments vom 10. Juni 2004 eingetragen und daher von der Teilnahme an diesen Wahlen ausgeschlossen worden ist. Diese Maßnahmen, zu denen ein Ersatz des Schadens gehören kann, der durch den dem Staat zuzurechnenden Verstoß entstanden ist, müssen den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität entsprechen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Raad van State (Niederlande) mit Entscheidung vom 13. Juli 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Juli 2004, in dem Verfahren
M. G. Eman,
O. B. Sevinger
gegen
College van burgemeester en wethouders van Den Haag
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas (Berichterstatter), K. Schiemann und J. Makarczyk sowie der Richter J.-P. Puissochet, P. Kūris, E. Juhász, E. Levits und A. Ó Caoimh,
Generalanwalt: A. Tizzano,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Eman und Herrn Sevinger, vertreten durch A. G. Croes,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und C. M. Wissels als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch N. Díaz Abad und F. Díez Moreno als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch R. Abraham, G. de Bergues, E. Puisais und C. Jurgensen als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, vertreten durch R. Caudwell als Bevollmächtigte im Beistand von D. Anderson und D. Wyatt, QC, sowie durch M. Chamberlain, Barrister,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Ladenburger und P. van Nuffel als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. April 2006
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 17 EG, 19 Absatz 2 EG, 189 EG, 190 EG und 299 Absatz 3 EG.
2 Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit von Herrn Eman und Herrn Sevinger (im Folgenden: Kläger des Ausgangsverfahrens), die beide niederländische Staatsbürger mit Wohnsitz in Oranjestad (Aruba) sind, gegen das College van burgemeester en wethouders van Den Haag (Niederlande) über die Ablehnung ihres Antrags auf Eintragung in das Wählerverzeichnis für die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments vom 10. Juni 2004.
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
3 Artikel 3 des 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die am 4. November 1950 in Rom unterzeichnet wurde (im Folgenden: EMRK), bestimmt:
„Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in angemessenen Zeitabständen freie und geheime Wahlen unter Bedingungen abzuhalten, welche die freie Äußerung der Meinung des Volkes bei der Wahl der gesetzgebenden Körperschaften gewährleisten.”
Gemeinschaftsrecht
4 Artikel 17 EG lautet:
„(1) Es wird eine Unionsbürgerschaft eingeführt. Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Die Unionsbürgerschaft ergänzt die nationale Staatsbürgerschaft, ersetzt sie aber nicht.
(2) Die Unionsbürger haben die in diesem Vertrag vorgesehenen Rechte und Pflichten.”
5 Artikel 19 Absatz 2 EG sieht vor:
„Unbeschadet des Artikels 190 Absatz 4 und der Bestimmungen zu dessen Durchführung besitzt jeder Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen...