Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Sicherheit. Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts zum Schutz der Frau für Tätigkeiten eines bewaffneten Polizisten
Leitsatz (amtlich)
1.
Der in Artikel 6 der Richtlinie 76/207 des Rates vom 9. Februar 1976 verankerte Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes steht einer Regelung entgegen, nach der einer Bescheinigung einer nationalen Behörde, mit der das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Sicherheit festgestellt wird, die Wirkung eines unwiderleglichen Beweises mit der Folge des Ausschlusses jeglicher richterlichen Kontrollbefugnis beigemessen wird. Auf Artikel 6, wonach jeder, der sich durch eine unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen beschwert hält, Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz hat, kann sich der einzelne gegenüber einem Mitgliedstaat berufen, der die volle Anwendung dieser Mitbestimmung in seiner innerstaatlichen Rechtsordnung nicht sicherstellt.
2.
Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, die aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Sicherheit vorgenommen werden, sind im Lichte der in der Richtlinie 76/207 vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen zu prüfen.
3.
Nach Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 76/207 kann ein Mitgliedstaat bei der Beurteilung der Frage, ob das Geschlecht aufgrund der Bedingungen, unter denen die Tätigkeit als Polizist ausgeübt wird, eine unabdingbare Voraussetzung für diese berufliche Tätigkeit darstellt, Erfordernisse des Schutzes der öffentlichen Sicherheit berücksichtigen, um in einer innenpolitischen Situation, die durch häufige Anschläge gekennzeichnet ist, die allgemeinen polizeilichen Aufgaben mit Schußwaffen ausgerüsteten Männern vorzubehalten.
4.
Der Schutzgedanke, aus dem heraus Artikel 2 Absatz 3 der Richtlinie 76/207 eine Ungleichbehandlung von Männern und Frauen zum Schutz der Frau zuläßt, umfaßt Risiken und Gefahren, die Frauen nicht als solche in besonderer Weise betreffen, wie etwa diejenigen nicht, denen jeder bewaffnete Polizist bei der Ausübung seines Dienstes in einer bestimmten Situation ausgesetzt ist.
5.
Der einzelne kann sich gegenüber einem Hoheitsträger, dem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit obliegt und der als Arbeitgeber handelt, auf die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen des Artikels 2 Absatz 1 der Richtlinie 76/207 auf die Bedingungen des Zugangs zu den Beschäftigungen und zur beruflichen Weiterbildung, die in Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 4 angesprochen sind, berufen, um eine im nationalen Recht vorgesehene Abweichung von diesem Grundsatz auszuschalten, soweit sie die Grenzen des nach Artikel 2 Absatz 2 zulässigen Ausnahmen überschreitet.
Normenkette
EWGVtr Art. 177, 224
Beteiligte
Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary |
Fundstellen
DVBl 1987, 227 |
EuGHE 1986, 1651 |
www.judicialis.de 1986 |