Entscheidungsstichwort (Thema)
ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES LANDESSOZIALGERICHT - DEUTSCHLAND. SOZIALE SICHERHEIT DER WANDERARBEITNEHMER. BESTIMMUNG DER ANWENDBAREN RECHTSVORSCHRIFTEN. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer. Anwendbare Rechtsvorschriften. Arbeitnehmer, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnstaat beschäftigt ist, aber einen Teil seiner Tätigkeit regelmässig in letzterem ausübt. Rechtsvorschriften des Wohnstaats
Leitsatz (amtlich)
Die Situation eines Arbeitnehmers, der in einem Mitgliedstaat wohnt und ausschließlich von einem Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat beschäftigt wird und der im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses einen Teil seiner Tätigkeit regelmässig im Umfang von mehreren Stunden pro Woche während eines Zeitraums, der nicht auf zwölf Monate beschränkt ist, in dem erstgenannten Mitgliedstaat ausübt, fällt unter Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung Nr. 1408/71, so daß der Betroffene den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats unterliegt, in dessen Gebiet er wohnt.
Normenkette
EWGV 1408/71 Art. 14 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i
Beteiligte
Calle Grenzshop Andresen GmbH & Co. KG |
Allgemeine Ortskrankenkasse für den Kreis Schleswig-Flensburg |
Tenor
1) Die Situation eines dänischen Arbeitnehmers, der in Dänemark wohnt und ausschließlich von einem Unternehmen mit Sitz in Deutschland beschäftigt wird und der im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses einen Teil seiner Tätigkeit regelmässig im Umfang von mehreren Stunden pro Woche während eines Zeitraums, der nicht auf zwölf Monate beschränkt ist, in Dänemark ausübt, fällt unter Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern.
2) Der Begriff „Tätigkeit” im Sinne von Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung Nr. 1408/71 schließt den Begriff „im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt” ein.
Gründe
1 Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht hat mit Beschluß vom 15. September 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Oktober 1993, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag vier Fragen nach der Auslegung des Artikels 14 Absatz 1 Buchstabe a und Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, und des Artikels 12a der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 in ihrer durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 kodifizierten Fassung (ABl. L 230, S. 6) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Calle Grenzshop Andresen GmbH & Co. KG (nachstehend: Firma Calle) und der Allgemeinen Ortskrankenkasse für den Kreis Schleswig-Flensburg (nachstehend: AOK) über die Zahlung von deutschen Sozialversicherungsbeiträgen, die die AOK von der Firma Calle für deren Arbeitnehmer verlangt, zu denen insbesondere Herr Börge Wandahl gehört.
3 Die Firma Calle betreibt in Deutschland in der Nähe der deutsch-dänischen Grenze ein Unternehmen, dessen Gegenstand der Einzelhandel mit Lebensmitteln, Spirituosen und Geschenkartikeln ist. Sie beschäftigt nahezu ausschließlich dänische Arbeitnehmer, die in Dänemark ihren Wohnsitz haben, darunter Herr Wandahl, der für die Firma Calle seit 1979 ° zunächst als Verkäufer und seit 1981 als Marktleiter ° tätig ist.
4 Weder Herr Wandahl noch die anderen dänischen Arbeitnehmer wurden von der Firma Calle bei der deutschen Sozialversicherung angemeldet. Mit Bescheid vom 21. Dezember 1987 forderte die AOK von der Firma Calle Sozialversicherungsbeiträge für Herrn Wandahl in Höhe von 74 627,23 DM für die Zeit vom 1. April 1982 bis zum 31. August 1987. Die Firma Calle legte gegen diesen Beitragsbescheid Widerspruch ein und machte geltend, daß Herr Wandahl in dieser Zeit auch in Dänemark im Umfang von etwa 10 Stunden pro Woche für Rechnung des Unternehmens tätig gewesen sei und daß er folglich nach Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung Nr. 1408/71 ausschließlich den dänischen Rechtsvorschriften unterlegen habe.
5 Nachdem ihr Widerspruch von der AOK mit Bescheid vom 17. August 1990 zurückgewiesen worden war, erhob die Firma Calle Klage beim Sozialgericht Schleswig. Dieses war der Auffassung, daß Herr Wandahl die Voraussetzungen des Artikels 14 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung Nr. 1408/71 nicht erfüllt habe, sondern daß seine Tätigkeiten in Dänemark unter Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a gefallen seien und daß er daher zwingend den deutschen Rechtsvorschriften unterlegen habe. Es wies die Klage daher mit Urteil vom 4. Dezember 1992 ab.
6 Die Firma Calle legte gegen dieses Urteil am 9. Februa...