Entscheidungsstichwort (Thema)

Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Arbeitnehmer, die in einem anderen Staat als dem des Hauptsitzes des Arbeitgebers wohnen und ihre Tätigkeit ausüben. Garantieeinrichtung. Anforderungen an die Zahlungsunfähigkeit eines Arbeitgebers

 

Normenkette

EWGRL 80/987 v. 20.10.1980 Art. 3

 

Beteiligte

Everson und Barrass

G. Everson

T. J. Barrass

Secretary of State for Trade and Industry

Bell Lines Ltd

 

Tenor

Haben Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber zahlungsunfähig geworden ist, ihre Tätigkeit in einem Mitgliedstaat in einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft ausgeübt, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats gegründet wurde, in dem sie ihren Sitz hat und in dem das Insolvenzverfahren über sie eröffnet wurde, so ist die nach Artikel 3 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers für die Befriedigung der Ansprüche dieser Arbeitnehmer zuständige Garantieeinrichtung die Einrichtung des Staates, in dem die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit ausgeübt haben.

 

Gründe

1.

Das Industrial Tribunal Bristol hat mit Beschluß vom 6. Mai 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Mai 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) eine Frage nach der Auslegung von Artikel 3 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283, S. 23; im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.

Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen G. Everson und T. J. Barrass (Kläger) einerseits und dem Secretary of State for Trade and Industry (Secretary of State) andererseits wegen Befriedigung der aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers der Kläger, der Firma Bell Lines Ltd (im folgenden: Firma Bell), nichterfüllten Ansprüche.

Rechtlicher Rahmen

Das Gemeinschaftsrecht

3.

Die Richtlinie soll den Arbeitnehmern bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers unbeschadet günstigerer Bestimmungen der Mitgliedstaaten auf Gemeinschaftsebene einen Mindestschutz gewährleisten. Zu diesem Zweck verpflichtet sie die Mitgliedstaaten, eine Einrichtung zu schaffen, die sicherstellen soll, daß die nichterfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber zahlungsunfähig geworden ist, befriedigt werden.

4.

Die Richtlinie gilt nach Artikel 1 Absatz 1

”für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 sind”.

5.

Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie bestimmt:

”Im Sinne dieser Richtlinie gilt ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig,

  1. wenn die Eröffnung eines nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehenen Verfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers zur gemeinschaftlichen Befriedigung seiner Gläubiger beantragt worden ist, das die Berücksichtigung der in Artikel 1 Absatz 1 genannten Ansprüche gestattet, und
  2. wenn die aufgrund der genannten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zuständige Behörde

    • * entweder die Eröffnung des Verfahrens beschlossen hat,
    • * oder festgestellt hat, daß das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen.”

6.

Nach Artikel 3 der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit die Garantieeinrichtungen die Befriedigung der Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt für den vor einem bestimmten Zeitpunkt liegenden Zeitraum betreffen, sicherstellen.

7.

Artikel 5 der Richtlinie bestimmt:

”Die Mitgliedstaaten legen die Einzelheiten des Aufbaus, der Mittelaufbringung und der Arbeitsweise der Garantieeinrichtungen fest, wobei sie insbesondere folgende Grundsätze beachten:

  1. Das Vermögen der Einrichtungen muß vom Betriebsvermögen der Arbeitgeber unabhängig und so angelegt sein, daß es einem Verfahren bei Zahlungsunfähigkeit nicht zugänglich ist.
  2. Die Arbeitgeber müssen zur Mittelaufbringung beitragen, es sei denn, daß diese in vollem Umfang durch die öffentliche Hand gewährleistet ist.
  3. Die Zahlungspflicht der Einrichtungen besteht unabhängig von der Erfüllung der Verpflichtungen, zur Mittelaufbringung beizutragen.”

Die nationalen Vorschriften

8.

Teil XII des Employment Rights Act 1996 (Gesetz über die Rechte der Arbeitnehmer; im folgenden: Gesetz von 1996) bezweckt die Umsetzung der Richtlinie in das Recht des Vereinigten Königreichs.

9.

Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts enthält das Gesetz von 1996 keine ausdrückliche Regelung für den Fall, daß eine Gesellschaft, die im Vereinigten Königreich eine kaufmännische Vertretung hat und dort Arbeitnehmer beschäftigt, jedoch in einem anderen Mitgliedstaat gegründet wurde, nach dem Recht dieses anderen Staates z...

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