Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 2006/54/EG. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Arbeitnehmer, der schlüssig darlegt, dass er die in einer Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen für eine ausgeschriebene Stelle erfüllt. Anspruch dieses Arbeitnehmers auf Auskunft darüber, ob der Arbeitgeber einen anderen Bewerber eingestellt hat
Beteiligte
Speech Design Carrier Systems GmbH |
Tenor
Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen sind dahin gehend auszulegen, dass sie für einen Arbeitnehmer, der schlüssig darlegt, dass er die in einer Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen erfüllt, und dessen Bewerbung nicht berücksichtigt wurde, keinen Anspruch auf Auskunft darüber vorsehen, ob der Arbeitgeber am Ende des Einstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt hat.
Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Verweigerung jedes Zugangs zu Informationen durch einen Beklagten ein Gesichtspunkt sein kann, der im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, heranzuziehen ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu prüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. Mai 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 20. August 2010, in dem Verfahren
Galina Meister
gegen
Speech Design Carrier Systems GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues sowie der Richter U. Lõhmus, A. Rosas (Berichterstatter), A. Arabadjiev und C. G. Fernlund,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. November 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Meister, vertreten durch Rechtsanwalt R. Wißbar,
- der Speech Design Carrier Systems GmbH, vertreten durch Rechtsanwältin U. Kappelhoff,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Kreuschitz als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Januar 2012
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. L 180, S. 22), Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16) und Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. L 204, S. 23).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Meister und der Speech Design Carrier Systems GmbH (im Folgenden: Speech Design) über eine von ihr geltend gemachte Diskriminierung wegen des Geschlechts, des Alters und der ethnischen Herkunft in einem Einstellungsverfahren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2000/43
Rz. 3
Der 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/43 lautet: „Die Beurteilung von Tatbeständen, die auf eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung schließen lassen, obliegt den einzelstaatlichen gerichtlichen Instanzen oder anderen zuständigen Stellen nach den nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten. In diesen einzelstaatlichen Vorschriften kann insbesondere vorgesehen sein, dass mittelbare Diskriminierung mit allen Mitteln, einschließlich statistischer Beweise, festzustellen ist.”
Rz. 4
Der 21. Erwägungsgrund der Richtlinie lautet: „Eine Änderung der Regeln für die Beweislastverteilung ist geboten, wenn ein glaubhafter Anschein einer Diskriminierung besteht. Zur wirksamen Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist eine Verlagerung der Beweislast auf die beklagte Partei erforderlich, wenn eine solche Diskriminierung nachgewiesen ist.”
Rz. 5
Art. 1 der Richtlinie lautet:
„Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines ...