Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersuchen um Vorabentscheidung: High Court of Justice, Queen's Bench Division – Vereinigtes Königreich. Richtlinie 79/7/EWG. Gleichbehandlung von Männer und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit. Haftung eines Mitgliedstaats für einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht. Anspruch auf Zinsen auf rückständige Leistungen der sozialen Sicherheit. Sozialpolitik. Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit. Verspätete Zahlung von Leistungen der sozialen Sicherheit, die auf eine nach der Richtlinie 79/7 verbotene Diskriminierung zurückgeht. Kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen auf die schließlich gezahlten Beträge. Gemeinschaftsrecht. Dem einzelnen verliehene Rechte. Verletzung durch einen Mitgliedstaat. Pflicht zum Ersatz des dem einzelnen entstandenen Schadens. Voraussetzungen. Entschädigungsmodalitäten. Anwendung des nationalen Rechts. Grenzen
Leitsatz (amtlich)
Artikel 6 der Richtlinie 79/7 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit verlangt nicht, daß ein einzelner Zinszahlungen auf Beträge erhalten kann, die als rückständige Leistungen der sozialen Sicherheit gezahlt worden sind, wenn die verspätete Zahlung der Leistungen auf eine nach der Richtlinie 79/7 verbotene Diskriminierung zurückgeht.
Die Beträge, die als Leistungen der sozialen Sicherheit fällig sind und die den Betroffenen von den zuständigen Einrichtungen, die insbesondere zu prüfen haben, ob die in den insoweit geltenden Vorschriften festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind, gezahlt werden, haben nämlich keineswegs den Charakter der Wiedergutmachung eines entstandenen Schadens; auf sie können auch nicht die vom Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache C-271/91 vom 2. August 1993 (Marshall) in bezug auf eine Entschädigung, die die Wiederherstellung tatsächlicher Gleichbehandlung ermöglicht, angestellten Erwägungen angewandt werden, wonach die Zuerkennung von Zinsen nach den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften als unerläßlicher Bestandteil einer solchen Entschädigung anzusehen ist. Daher verpflichtet Artikel 6 der Richtlinie 79/7 die Mitgliedstaaten zwar, die Vorschriften zu erlassen, die notwendig sind, damit jeder, der glaubt, im Rahmen der Zuerkennung von Leistungen der sozialen Sicherheit Opfer einer durch die Richtlinie verbotenen Diskriminierung zu sein, die Rechtswidrigkeit dieser Diskriminierung feststellen lassen und die Zahlung der Leistungen erwirken kann, auf die er ohne Diskriminierung Anspruch gehabt hätte, doch kann die Zahlung von Zinsen auf rückständige Leistungen nicht als wesentlicher Bestandteil des so definierten Rechts angesehen werden.
Ein Mitgliedstaat ist verpflichtet, die Schäden zu ersetzen, die dem einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstösse gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen. Diese Verpflichtung ist gegeben, sofern drei Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich daß die Rechtsnorm, gegen die verstossen worden ist, bezweckt, dem einzelnen Rechte zu verleihen, daß der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und daß zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem den geschädigten Personen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht.
Abgesehen von dem Entschädigungsanspruch, der unmittelbar im Gemeinschaftsrecht begründet ist, sobald diese drei Voraussetzungen erfüllt sind, hat der Staat die Folgen des verursachten Schadens im Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu beheben; dabei dürfen die im Schadensersatzrecht der Mitgliedstaaten festgelegten Voraussetzungen weder ungünstiger sein als bei ähnlichen Klagen, die nur nationales Recht betreffen, noch so ausgestaltet sein, daß sie es praktisch unmöglich machen oder übermässig erschweren, die Entschädigung zu erlangen.
Normenkette
Richtlinie 79/7 des Rates § Art. 6
Beteiligte
Secretary of State for Social Security |
Tenor
Artikel 6 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit verlangt nicht, daß ein einzelner Zinszahlungen auf Beträge erhalten kann, die als rückständige Leistungen der sozialen Sicherheit wie die Invalid Care Allowance gezahlt worden sind, wenn die verspätete Zahlung der Leistungen auf eine nach der Richtlinie 79/7 verbotene Diskriminierung zurückgeht. Ein Mitgliedstaat ist jedoch verpflichtet, die einem einzelnen durch einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht verursachten Schäden wiedergutzumachen. Falls die Voraussetzungen für die Entstehung einer solchen Verpflichtung erfüllt sind, ist es Sache des nationalen Gerichts, die sich aus diesem Grundsatz ergebenden Konsequenzen zu ziehen.
Gründe
1 Der High Court of Justice of England and Wales, Queen's Bench Division, hat mit Beschluß vom 12. Oktober 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 13. März 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der...