Entscheidungsstichwort (Thema)

Wettbewerbsrecht. Artikel 14 Absätze 3 und 6 der Verordnung Nr. 17. Nachprüfungsentscheidung der Kommission. Unterstützung durch die nationalen Behörden. Auslegung des Urteils Hoechst/Kommission vom 21. September 1989. Allgemeine Grundsätze. Schutz vor willkürlichen oder unverhältnismäßigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt in die Sphäre der privaten Betätigung einer juristischen Person. Umfang der Kontrolle, die dem für die Genehmigung von Zwangsmaßnahmen gegen Unternehmen zuständigen nationalen Gericht obliegt. Informationspflicht der Kommission. Loyale Zusammenarbeit

 

Beteiligte

Roquette Frères

Roquette Frères SA

Directeur général de la concurrence, de la consommation et de la répression des fraudes

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

 

Tenor

1. Gemäß dem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts, der einen Schutz vor willkürlichen oder unverhältnismäßigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt in die Sphäre der privaten Betätigung einer natürlichen oder juristischen Person vorschreibt, hat ein nationales Gericht, das nach nationalem Recht für die Genehmigung von Durchsuchungen und Beschlagnahmen in Geschäftsräumen von Unternehmen zuständig ist, die im Verdacht von Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln stehen, zu prüfen, ob die Zwangsmaßnahmen, die auf ein Unterstützungsersuchen der Kommission nach Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages, hin beantragt wurden, nicht willkürlich und, gemessen am Gegenstand der angeordneten Nachprüfung, nicht unverhältnismäßig sind. Unbeschadet der Anwendung der für die Durchführung der Zwangsmaßnahmen geltenden Vorschriften des innerstaatlichen Rechts lässt es das Gemeinschaftsrecht nicht zu, dass die von diesem nationalen Gericht ausgeübte Kontrolle der Begründetheit der Zwangsmaßnahmen über das hinaus geht, was der vorgenannte allgemeine Grundsatz gebietet.

2. Die Kommission ist nach dem Gemeinschaftsrecht verpflichtet, dafür zu sorgen, dass dieses nationale Gericht über alle Mittel verfügt, deren es zur Ausübung der ihm obliegenden Kontrolle bedarf. Insoweit müssen die von der Kommission gegebenen Informationen grundsätzlich Folgendes umfassen:

  • eine Beschreibung der wesentlichen Merkmale der behaupteten Zuwiderhandlung, d. h., es müssen zumindest der nach Ansicht der Kommission relevante Markt und die Natur der behaupteten Wettbewerbsbeschränkungen angegeben sein;
  • Erläuterungen zu der Art und Weise, wie das von den Zwangsmaßnahmen betroffene Unternehmen in diese Zuwiderhandlung verwickelt sein soll;
  • Erläuterungen, in denen substanziiert dargelegt wird, dass die Kommission über ernsthafte sachliche Informationen und Indizien verfügt, die sie veranlassen, das betroffene Unternehmen einer solchen Zuwiderhandlung zu verdächtigen;
  • die möglichst genaue Angabe dessen, wonach gesucht wird, und der Punkte, auf die sich die Nachprüfung beziehen soll, sowie die Angabe, welche Befugnisse die Kontrolleure der Gemeinschaft haben; und
  • falls die Kommission vorsorglich um die Unterstützung der nationalen Behörden ersucht, um sich über einen etwaigen Widerspruch des betroffenen Unternehmens hinwegsetzen zu können, Erläuterungen, anhand deren sich dieses Gericht davon überzeugen kann, dass ohne eine Genehmigung der vorsorglichen Zwangsmaßnahmen der Nachweis des als Zuwiderhandlung eingestuften Sachverhalts nicht möglich oder erheblich erschwert wäre.

3. Dagegen kann das nationale Gericht nicht die Übermittlung der in den Akten der Kommission enthaltenen Informationen und Indizien verlangen, auf denen ihr Verdacht beruht.

4. Ist dieses Gericht der Auffassung, dass die von der Kommission gegebenen Informationen nicht den in Nummer 2 dieses Tenors genannten Anforderungen genügen, so darf es sich nicht damit begnügen, den gestellten Antrag zurückzuweisen, da es dadurch gegen Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 und Artikel 5 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG) verstoßen würde. Es hat in einem solchen Fall die Kommission oder die nationale Behörde, von der es auf das Ersuchen der Kommission hin befasst wurde, unverzüglich über die aufgetretenen Schwierigkeiten zu unterrichten und gegebenenfalls die Klarstellungen anzufordern, die es ihm ermöglichen würden, die ihm obliegende Kontrolle auszuüben. Erst wenn diesem nationalen Gericht solche etwaigen Klarstellungen vorliegen oder wenn seine Anfrage von der Kommission nicht sachdienlich beantwortet wurde, darf es die Gewährung der beantragten Unterstützung ablehnen, sofern nicht die ihm zur Verfügung stehenden Informationen den Schluss zulassen, dass die beabsichtigten Zwangsmaßnahmen nicht willkürlich sind und dass sie, gemessen am Gegenstand der Nachprüfung, verhältnismäßig sind.

5. Die Informationen, die die Kommission dem genannten nationalen Gericht zu geben hat, können aus der Nachprüfungsentscheidung selbst wie auch aus dem gemäß Artikel 14 Absatz 6 der Verordnung Nr. 17 an die nationalen Behörden geric...

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