Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss der in Belgien wohnenden Grenzgänger von der Gewährung von Punkten für die zusätzliche Altersrente nach Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand im Gegensatz zu in Frankreich wohnenden Arbeitnehmern. Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft. Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zuwandern und abwandern. Verdeckte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit in Kündigungsbedingungen durch die Verwendung des Wohnkriteriums. Versicherungspflicht im System der Zusatzrentenregelungen. Gefahr der Benachteiligung von Wanderarbeitnehmern
Normenkette
EGV Art. 169, 48 Abs. 2; EWGV 1612/68 des Rates Art. 7; EWGV 1408/71 des Rates
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
1.
Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 48 Absatz 2 EG-Vertrag und Artikel 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft verstoßen, daß sie die in Belgien wohnenden Grenzgänger von der Gewährung von Punkten für die zusätzliche Altersrente nach Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand ausgeschlossen hat.
2.
Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
1.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 24. Januar 1997 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 48 Absatz 2 EG-Vertrag und Artikel 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) verstoßen hat, daß sie die in Belgien wohnenden Grenzgänger von der Gewährung von Punkten für die zusätzliche Altersrente nach Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand ausgeschlossen hat.
Rechtlicher Rahmen
2.
Nach der dritten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1612/68 ”[muß] allen Arbeitnehmern der Mitgliedstaaten … das Recht zuerkannt werden, eine von ihnen gewählte Tätigkeit innerhalb der Gemeinschaft auszuüben”; nach der vierten Begründungserwägung dieser Verordnung ”[steht] dieses Recht … gleichermaßen Dauerarbeitnehmern, Saisonarbeitern, Grenzarbeitnehmern oder Arbeitnehmern zu, die ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit einer Dienstleistung ausüben”.
3.
Artikel 7 Absätze 1 und 4 dieser Verordnung sieht vor:
”(1)
Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.
…
(4)
Alle Bestimmungen in Tarif- oder Einzelarbeitsverträgen oder sonstigen Kollektivvereinbarungen betreffend Zugang zur Beschäftigung, Entlohnung und alle übrigen Arbeits- und Kündigungsbedingungen sind von Rechts wegen nichtig, soweit sie für Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, diskriminierende Bedingungen vorsehen oder zulassen.”
4.
Nach Artikel 42 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 ”[berührt] diese Verordnung … nicht die gemäß Artikel 51 des Vertrages erlassenen Bestimmungen”.
5.
Artikel 1 Buchstabe j Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 149, S. 2), in der aktualisierten Fassung der Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1; im folgenden: Verordnung Nr. 1408/71) definiert den Begriff ”Rechtsvorschriften” als ”die bestehenden und künftigen Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in bezug auf die in Artikel 4 Absätze 1 und 2 genannten Zweige und Systeme der sozialen Sicherheit oder die in Artikel 4 Absatz 2a erfaßten beitragsunabhängigen Sonderleistungen”. In Unterabsatz 2 dieser Bestimmung heißt es jedoch: ”Dieser Begriff umfaßt bestehende oder künftige tarifvertragliche Vereinbarungen nicht, selbst wenn eine behördliche Entscheidung sie für allgemein verbindlich erklärt oder ihren Geltungsbereich erweitert hat …”
6.
Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer ii der Richtlinie Nr. 1408/71 lautet:
”Grenzgänger erhalten bei Vollarbeitslosigkeit Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnen, als ob während der letzten Beschäftigung die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats für sie gegolten hätten; diese Leistungen gewährt der Träger des Wohnorts zu seinen Lasten …”
Die nationalen Rechtsvorschriften
7.
In Frankreich bestehen als Ergänzung des staatlichen Systems der Alt...