Entscheidungsstichwort (Thema)
ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: HIGH COURT - IRLAND. GLEICHBEHANDLUNG AUF DEM GEBIET DER SOZIALEN SICHERHEIT. LEISTUNGEN BEI INVALIDITAET. UNMITTELBARE WIRKUNG UND NATIONALE KLAGEFRISTEN. Handlungen der Organe. Richtlinien. Unmittelbare Wirkung. Auswirkungen. Möglichkeit, vor der ordnungsgemässen Umsetzung der Richtlinie dem einzelnen gegenüber nationale Vorschriften über Klagefristen geltend zu machen. Sozialpolitik. Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit. Richtlinie 79/7. Anwendung der nationalen Vorschriften über Klagefristen vor der ordnungsgemässen Umsetzung der Richtlinie. Unzulässigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Solange eine Richtlinie nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt wurde, sind die einzelnen nicht in die Lage versetzt worden, in vollem Umfang von ihren Rechten Kenntnis zu erlangen. Dieser Zustand der Unsicherheit für die einzelnen dauert auch nach dem Erlaß eines Urteils an, in dem der Gerichtshof die Ansicht vertreten hat, daß der betroffene Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen aus der Richtlinie nicht nachgekommen ist, selbst wenn der Gerichtshof festgestellt hat, daß die eine oder andere Bestimmung der Richtlinie hinreichend genau und unbedingt ist, um vor den nationalen Gerichten in Anspruch genommen werden zu können.
Nur die ordnungsgemässe Umsetzung der Richtlinie beendet diesen Zustand der Unsicherheit, und erst mit dieser Umsetzung wird die Rechtssicherheit geschaffen, die erforderlich ist, um von den einzelnen verlangen zu können, daß sie ihre Rechte geltend machen.
Hieraus folgt, daß sich der säumige Mitgliedstaat bis zum Zeitpunkt der ordnungsgemässen Umsetzung der Richtlinie nicht auf die Verspätung einer Klage berufen kann, die ein einzelner zum Schutz der ihm durch die Bestimmungen dieser Richtlinie verliehenen Rechte gegen ihn erhoben hat, und daß eine Klagefrist des nationalen Rechts erst zu diesem Zeitpunkt beginnen kann.
2. Solange ein Mitgliedstaat die Bestimmungen der Richtlinie 79/7 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit nicht ordnungsgemäß in seine interne Rechtsordnung umgesetzt hat, hindert das Gemeinschaftsrecht die zuständigen Behörden dieses Staates daran, sich auf die nationalen Verfahrensvorschriften über Klagefristen gegenüber einer Klage zu berufen, die ein einzelner gegen sie vor den nationalen Gerichten zum Schutz der durch Artikel 4 Absatz 1 dieser Richtlinie unmittelbar verliehenen Rechte erhoben hat.
Normenkette
EWGVtr Art. 189 Abs. 3, Art. 189
Beteiligte
Minister for Social Welfare and Attorney General |
Tenor
Solange ein Mitgliedstaat die Bestimmungen der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit nicht ordnungsgemäß in seine interne Rechtsordnung umgesetzt hat, hindert das Gemeinschaftsrecht die zuständigen Behörden dieses Staates daran, sich auf die nationalen Verfahrensvorschriften über Klagefristen gegenüber einer Klage zu berufen, die ein einzelner gegen sie vor den nationalen Gerichten zum Schutz der durch Artikel 4 Absatz 1 dieser Richtlinie unmittelbar verliehenen Rechte erhoben hat.
Gründe
1 Der irische High Court hat mit Beschluß vom 22. Juni 1990, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Juli 1990, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, mit der er im wesentlichen zu erfahren wünscht, ob ein Mitgliedstaat, der die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl. 1979, L 6, S. 24; im folgenden: die Richtlinie) nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat, einen einzelnen mit der Begründung, die nationalen Klagefristen seien abgelaufen, daran hindern kann, Klage mit dem Ziel zu erheben, Rechte zu wahren, die der Betroffene aus Bestimmungen dieser Richtlinie herleitet, die hinreichend klar und unbedingt sind, um vor den nationalen Gerichten in Anspruch genommen werden zu können.
2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Theresa Emmott einerseits sowie dem irischen Minister for Social Welfare und dem Attorney General von Irland andererseits, in dem es um zusätzliche Leistungen der sozialen Sicherheit geht, die Frau Emmott aufgrund von Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie fordert.
3 Diese Bestimmung verbietet jegliche Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere was die Berechnung der Leistungen einschließlich der Zuschläge für den Ehegatten und für unterhaltsberechtigte Personen betrifft. Nach Artikel 5 hatten die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, daß die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbaren Rechts- und Verwaltungsvorschriften beseitigt werden. Artikel 8 verpflichtete die Mitgliedstaaten, die erforderlichen Rechts- und Ver...