Entscheidungsstichwort (Thema)
Freier Warenverkehr. Artikel 30 und 36 EG-Vertrag. Erstattung in einem anderen Mitgliedstaat angefallener Krankheitskosten. Vorherige Genehmigung der zuständigen Kasse. Brillenkauf
Beteiligte
Caisse de maladie des employés privés |
Tenor
Eine nationale Regelung, nach der ein Träger der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaates einem Versicherten die pauschale Kostenerstattung für eine Brille mit Korrekturgläsern, die dieser bei einem Optiker in einem anderen Mitgliedstaat gekauft hat, mit der Begründung versagt, daß der Erwerb medizinischer Erzeugnisse im Ausland der vorherigen Genehmigung bedarf, verstößt gegen die Artikel 30 und 36 EG-Vertrag.
Tatbestand
In der Rechtssache C-120/95
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom luxemburgischen Conseil arbitral des assurances sociales in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Nicolas Decker
gegen
Caisse de maladie des employés privés
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 30 und 36 EG-Vertrag
erläßt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten C. Gulmann und H. Ragnemalm (Berichterstatter) sowie der Richter G. F. Mancini, J. C. Moitinho de Almeida, P. J. G. Kapteyn, J. L. Murray, D. A. O. Edward, J.-P. Puissochet, G. Hirsch und P. Jann,
Generalanwalt: G. Tesauro
Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- von Nicolas Decker, vertreten durch Rechtsanwälte Andrée Braun und Serge Wagner, Luxemburg,
- der luxemburgischen Regierung, vertreten durch den Inspecteur de la sécurité sociale première classe Claude Ewen, Ministerium der sozialen Sicherheit, als Bevollmächtigten,
- der belgischen Regierung, vertreten durch den Directeur d'administration Jan Devadder, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, Außenhandel und Entwicklungszusammenarbeit, als Bevollmächtigten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch Ministerialrat Ernst Röder und Assessor Gereon Thiele, Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch den Generaldirektor für rechtliche und institutionelle Koordinierung in Gemeinschaftsfragen Alberto Navarro González und durch Abogado del Estado Gloria Calvo Díaz als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch die Abteilungsleiterin in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten Catherine de Salins und durch den Sekretär für auswärtige Angelegenheiten Philippe Martinet, ebenda, als Bevollmächtigte,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch Rechtsberater Adriaan Bos als Bevollmächtigten,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Lindsey Nicoll, Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigte, Beistand: Barrister Philippa Watson,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater Hendrik van Lier und den zum Juristischen Dienst abgeordneten nationalen Beamten Jean-Francis Pasquier als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Nicolas Decker, vertreten durch Rechtsanwalt Serge Wagner, der Caisse des employés privés, vertreten durch Rechtsanwalt Albert Rodesch, Luxemburg, der luxemburgischen Regierung, vertreten durch Claude Ewen, der deutschen Regierung, vertreten durch Ernst Röder, der spanischen Regierung, vertreten durch Gloria Calvo Díaz, der französischen Regierung, vertreten durch Philippe Martinet, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Philippa Watson, und der Kommission, vertreten durch Jean-Francis Pasquier, in der Sitzung vom 2. Juli 1996,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. September 1997,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1.
Der Conseil arbitral des assurances sociales hat dem Gerichtshof mit Urteil vom 5. April 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 7. April 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Artikel 30 und 36 EG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Kläger Decker, einem luxemburgischen Staatsangehörigen, und der Caisse de maladie des employés privés (Krankenkasse), in dem es um einen Antrag auf Erstattung der Kosten für eine Brille mit Korrekturgläsern geht, die bei einem Optiker in Arlon (Belgien) auf Verschreibung eines Augenarztes erworben wurde, der in Luxemburg niedergelassen ist.
3.
Mit Schreiben vom 14. September 1992 teilte die Krankenkasse dem Kläger mit, sie lehne die Kostenerstattung für diese Brille ab, da sie ohne ihre vorherige Genehmigung im Ausland erworben worden sei.
4.
Der Kläger wandte sich gegen diesen Bescheid, wobei er sich u. a. auf die Vorschriften des EG-Vertrags über den freien Warenverkehr berief. Auf einen Widerspruch hin hielt die Krankenkasse mit Beschluß ihres Leitungsausschusses vom 22. Oktober 1992 an ihrer Auffassung fest und wies den klägerischen Antrag ab.
5.
Darauf...