Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialpolitik. Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Artikel 141 Absatz 4 EG. Richtlinie 76/207/EWG. Voraussetzungen für den Zugang zu einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst. Bestimmungen, die die Befreiung von der Altersgrenze für den Zugang zu einer solchen Beschäftigung nicht wiederverheirateten Witwen vorbehalten
Beteiligte
Ministre de l'Éducation nationale |
Tenor
Die Artikel 3 Absatz 1 und 2 Absatz 4 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die die Befreiung von der Altersgrenze für den Zugang zu einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst nicht wiederverheirateten Witwen vorbehält, die darauf angewiesen sind zu arbeiten, und nicht wiederverheiratete Witwer, die sich in der gleichen Situation befinden, davon ausschließt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG,
eingereicht vom Tribunal administratif Paris (Frankreich), mit Entscheidung vom 3. Juli 2003, eingegangen am 24. Juli 2003, in dem Verfahren
Serge Briheche
gegen
Ministre de l'Intérieur,
Ministre de l'Éducation nationale
und
Ministre de la Justice
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter C. Gulmann und R. Schintgen sowie der Richterinnen F. Macken (Berichterstatterin) und N. Colneric,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Briheche,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und C. Bergeot-Nunes als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M.-J. Jonczy und N. Yerrell als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. Juni 2004,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40, im Folgenden: Richtlinie).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Verfahrens zwischen Herrn Briheche und dem Ministre de l'Intérieur (Innenminister), dem Ministre de l'Éducation nationale (Bildungsminister) sowie dem Ministre de la Justice (Justizminister) wegen der Ablehnung der Bewerbung von Herrn Briheche auf mehrere Auswahlverfahren zur Besetzung von Stellen für Verwaltungsassistenten oder -sekretäre durch diese Minister mit der Begründung, dass er nicht die in den französischen Regelungen vorgesehenen Altersvoraussetzungen für die Teilnahme an diesen Auswahlverfahren erfülle.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften
3
Artikel 141 Absatz 4 EG bestimmt:
„Im Hinblick auf die effektive Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben hindert der Grundsatz der Gleichbehandlung die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen.”
4
In Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Richtlinie heißt es:
„(1) Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der nachstehenden Bestimmungen beinhaltet, dass keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts – insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand – erfolgen darf.
…
(4) Diese Richtlinie steht nicht den Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für Männer und Frauen, insbesondere durch Beseitigung der tatsächlich bestehenden Ungleichheiten, die die Chancen der Frauen in den in Artikel 1 Absatz 1 genannten Bereichen beeinträchtigen, entgegen.”
5
Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie lautet:
„Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung beinhaltet, dass bei den Bedingungen des Zugangs – einschließlich der Auswahlkriterien – zu den Beschäftigungen oder Arbeitsplätzen – unabhängig vom Tätigkeitsbereich oder Wirtschaftszweig – und zu allen Stufen der beruflichen Rangordnung keine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts erfolgt.”
Nationale Vorschriften
6
Artikel 5 Absatz 1 des Dekrets Nr. 90-713 vom 1. August 1990 über die auf Verwaltungsassistenten in der staatlichen Verwaltung anwendbaren Rechtsvorschriften (décret n° 90-713 relatif aux dispositions statutaires communes applicables aux corps d'adjoints administratifs des administrations de l'État, JORF vom 11. August 1990, S. 9795) legt für die Einstel...