BAG, Urteil vom 9.2.2023, 7 AZR 266/22
Leitsatz (amtlich)
Wird einem Arbeitnehmer für die Zeit nach Ablauf seines befristeten Arbeitsverhältnisses Urlaub gewährt, ist der Tatbestand des § 15 Abs. 5 TzBfG in der bis zum 31.7.2022 geltenden Fassung (seit dem 1.8.2022 § 15 Abs. 6 TzBfG) nicht erfüllt.
Sachverhalt
Der Kläger, ehemals Beamter der Deutschen Bundespost, wurde seit deren Privatisierung bei der Beklagten – einem Postnachfolgeunternehmen – als Bundesbeamter auf Lebenszeit beschäftigt. Seit dem 1.7.1999 war er aufgrund einer Reihe befristeter Arbeitsverträge mit unterschiedlichen Aufgaben in einem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten beschäftigt und wurde hierfür jeweils nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PostPersRG als Beamter beurlaubt. Zuletzt schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1.8.2019 bis zum 30.4.2020. Hiernach wurde der Kläger – unter gleichzeitiger Beurlaubung als Beamter – "als außertariflicher nichtleitender Angestellter" eingesetzt. Der Vertrag wurde unter jeweiliger Verlängerung der Beurlaubung im Beamtenverhältnis zweimal, zuletzt bis zum 30.9.2020, verlängert.
Im Rahmen des Arbeitsverhältnisses wurde dem Kläger ein Dienstwagen zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt. Mit E-Mail vom 30.9.2020 wurde ihm mitgeteilt, dass seine Abordnung mit dem heutigen Tage ende. Deshalb sei die Versteuerung des geldwerten Vorteils Firmenwagen für die Strecke Wohnung – 1. Arbeitsstätte für den Zeitraum 1.6.20 – 30.9.20 eingestellt worden. Ab dem 1.10.20 würden wieder 6 km zur Versteuerung gelten. Falls dies nicht korrekt sei, solle er Kontakt mit seiner Stamm-Personalabteilung im GB Vertrieb aufnehmen.
Am 9.9.2020 wurde dem Kläger über das Personalportal "myTime" Erholungsurlaub für die Zeit vom 1. bis zum 3.10.2020, vom 5. bis zum 9.10.2020, vom 12. bis zum 16.10.2020, vom 19. bis zum 23.10.2020 sowie vom 26. bis zum 31.10.2020 gewährt. Zudem erhielt er am 30. September auf seinen Wunsch ein Zwischenzeugnis für seine Tätigkeit vom 1.8.2019 bis zum 30.9.2020. Seit dem 1.10.2020 wurde der Kläger von der Beklagten wieder als Bundesbeamter geführt. Organisatorisch ist das Beamtenverhältnis dem Geschäftsbereich Vertrieb P zugeordnet, dessen Personal bundesweit an mehreren Standorten tätig ist.
Der Kläger klagt nun auf Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien. Er hat hierzu vorgetragen, das Arbeitsverhältnis sei mit Wissen der Beklagten über den 30.9.2020 hinaus fortgesetzt worden, weshalb gem. § 15 Abs. 5 TzBfG a. F. (entspricht § 15 Abs. 6 n. F.) ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden sei; denn die Beklagte habe u. a. durch die bestätigte Gewährung von Urlaub ab dem 1.10.2020 das Arbeitsverhältnis i. S. v. § 15 Abs. 5 TzBfG a. F. fortgesetzt; die Inanspruchnahme des Urlaubs durch den Kläger sei der Fortführung seiner Tätigkeit gleichzusetzen.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien gilt nicht ab dem 1.10.2020 nach § 15 Abs. 5 TzBfG a. F. als auf unbestimmte Zeit verlängert.
Das BAG führte hierzu aus, dass nach § 15 Abs. 5 TzBfG a. F. ein Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert gelte, wenn es nach Ablauf der Zeit, für die es eingegangen sei, mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt werde und der Arbeitgeber nicht unverzüglich widerspreche. Es genüge hierbei jedoch nicht jegliche Weiterarbeit des Arbeitnehmers, sondern es müsse mit Wissen des Arbeitgebers selbst erfolgen. Arbeitgeber i. d. S. sei jedoch nicht jeder Vorgesetzte, sondern der Arbeitgeber selbst, bzw. der zum Abschluss von Arbeitsverträgen berechtigte Vertreter. Zudem setze der Eintritt der in § 15 Abs. 5 TzBfG a. F. angeordneten Fiktion voraus, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung bewusst und in der Bereitschaft fortsetze, die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis weiter zu erfüllen und er müsse die vertragsgemäßen Dienste nach Ablauf der Vertragslaufzeit tatsächlich ausführen. Nicht ausreichend hierfür sei, dass der Arbeitgeber einseitig Leistungspflichten erfüllt, ohne aber die Gegenleistung des Arbeitnehmers tatsächlich in Anspruch zu nehmen, wie etwa bei der Gewährung von Urlaub oder Freizeitausgleich für geleistete Mehrarbeit bzw. der Leistung von Entgeltfortzahlung über das vereinbarte Vertragsende hinaus (so auch zu der Vorgängerregelung § 625 BGB vgl. BAG, Urt. v. 20.2.2002, 7 AZR 748/00; v. 24.10.2001, 7 AZR 620/00; v. 2.12.1998, 7 AZR 508/97).
Dies ergebe sich aufgrund der Auslegung der Regelung, aus normsystematischen Gesichtspunkten sowie der Gesetzesbegründung. Hätte der Gesetzgeber angesichts der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 625 BGB beabsichtigt, die Regelungsbereiche von § 625 BGB einerseits und § 15 Abs. 5 TzBfG a. F. unterschiedlich auszugestalten, sei nicht nachvollziehbar, dass er einen mit § 625 BGB übereinstimmenden Regelungsgehalt ausdrücklich verabschiedet hatte.
Danach waren im vorliegenden Fall die Voraussetzungen von § 15 Abs. 5 TzBfG a. F. nicht erfüllt; denn es war nicht ersichtlich, dass der Klä...