Betreff: |
Vererbbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs von Tarifbeschäftigten |
hier: |
Folgerungen aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts 170/14 sowie des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 12. Juni 2014 - C-118/13 ("Bollacke") |
Aktenzeichen: |
D5-31001/3#10 |
Einleitung
In Folge der unionsrechtlichen Vorgaben des EuGH im Urteil vom 12. Juni 2014 - C-118/13 ("Bollacke"-Entscheidung) gibt das BAG mit seiner o. g. Entscheidung vom 22. September 2015 - 9 AZR 170/14 - seine bisherige Rechtsprechung auf. Danach ging bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge des Todes des Arbeitnehmers sein Urlaubsanspruch ersatzlos unter. Der Senat verneinte deshalb bis dahin in diesen Fällen auch die Umwandlung des Urlaubsanspruchs in einen Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) und den Übergang des Anspruchs nach § 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf die Erben (vgl. BAG vom 12. März 2013 - 9 AZR 532/11 - und vom 20. September 2011 - 9 AZR 416/10).
Der aktuell entschiedene Rechtsstreit betrifft die Abgeltung von Urlaubsansprüchen des vormaligen Klägers (Erblassers). Auf sein Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12. Oktober 2006 (TV-L) in der vom 1. März 2009 bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung Anwendung. Die neue Rechtsprechung des Urlaubssenats ist auf den Geltungsbereich des TVöD übertragbar.
Die Klägerinnen sind die Erbinnen des am 15. Mai 2013 verstorbenen Erblassers. Dieser war seit seiner Anerkennung als Schwerbehinderter am 9. Januar 2008 bis zu seinem Tod am 15. Mai 2013 arbeitsunfähig erkrankt. Das Arbeitsverhältnis endete bereits am 17. März 2011. Die Parteien stritten über den Verfall des wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht in Anspruch genommenen Urlaubs und um den daraus resultierenden Übergang des Abgeltungsanspruchs auf die Erbinnen, da der Erblasser vor Abschluss des Verfahrens verstarb.
Bereits vor dem Hintergrund der EuGH Entscheidung vom 20. Januar 2009 in den verbundenen Rechtssachen - C-350/06 und C-520/06 ("Schultz-Hoff u. a.") hatte das BAG seine Rechtsprechung hinsichtlich des (späteren) Verfalls von gesetzlichen Urlaubsansprüchen, die aufgrund von Arbeitsunfähigkeit nicht in Anspruch genommen werden können, den Vorgaben des Gerichtshofes angepasst. Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in dem zu entscheidenden Fall waren demnach die noch nicht in Anspruch genommenen Urlaubsansprüche nicht verfallen und wandelten sich nach § 7 Abs. 4 BUrlG in einen Urlaubsabgeltungsanspruch.
Ebenfalls in Folge der "Schultz-Hoff u. a."-Entscheidungen gab der Urlaubssenat seine Surrogatstheorie auf und ordnete den Urlaubsabgeltungsanspruch als reinen Geldanspruch ein; dieser unterscheidet sich nicht von anderen Zahlungsansprüchen gegen den Arbeitgeber (vgl. BAG vom 9. August 2011 - 9 AZR 365/10 - und vom 19. Juni 2012 - 9 AZR 652/10 -). Damit unterliegt dieser Anspruch, wenn er einmal entstanden ist, nicht dem Grundsatz der Unabdingbarkeit des § 13 Abs. 1 BUrlG. Die Urlaubsabgeltung ist weder von der Erfüllbarkeit, noch von der Durchsetzbarkeit des Urlaubsanspruchs abhängig, geht nicht mit dem Tod des Arbeitnehmers unter und wird mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sofort fällig.
Eine weitere Entscheidung des EuGH vom 12. Juni 2014 - C-118/13 ("Bollacke") ergänzte die unionsrechtlichen Vorgaben im Urlaubsrecht im Fall des Todes des Arbeitnehmers. Der Gerichtshof stellte in diesem Vorlageverfahren fest, dass es Unionsrecht nicht gestatte, wenn einzelstaatliche Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers vorsehen, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs untergeht. Der EuGH wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Ansprüche auf Jahresurlaub und auf Bezahlung während des Urlaubs nach Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299 vom 18. November 2003, S. 9) [im Folgenden "EU-Arbeitszeitrichtlinie"] als zwei Aspekte eines einzelnen Anspruchs anzusehen sind. Der Unionsgesetzgeber will damit sicherstellen, dass neben dem Anspruch auf Freistellung für den gesetzlichen Mindesturlaub auch die Gewährung des Entgelts erfolgt.
Für den vorliegenden Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers kommt zumindest durch die Gewährung eines finanziellen Ausgleichs die Wirksamkeit des Urlaubsanspruchs zum Ausdruck. Ohne diese Rechts-folge würde beim Tod des Arbeitnehmers ein im Unionsrecht verankertes, grundlegendes Arbeitnehmerrecht verletzt; denn es würde rückwirkend den vollständigen Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zur Folge haben. Der EuGH führt in seinen Entscheidungsgründen dazu weiter aus, dass für die Eröffnung des Anspruchs auf finanzielle Vergütung keine anderen Voraussetzungen als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und ein noc...