Entscheidungsstichwort (Thema)
Sterbegeld. Häusliche Gemeinschaft der Ehegatten. Tarifauslegung
Leitsatz (redaktionell)
Das tarifliche Sterbegeld nach § 13 MTV für Brauereien in Hessen i.d.F. vom 11.12.1996 steht unterhaltsberechtigten Ehegatten auch dann zu, wenn diese nicht (mehr) in häuslicher Gemeinschaft mit dem verstorbenen Arbeitnehmer gelebt haben.
Normenkette
TVG § 1 Abs. 1; BGB § 611 Abs. 1; Manteltarifvertrag für Brauereien in Hessen § 13
Verfahrensgang
ArbG Kassel (Urteil vom 10.09.2002; Aktenzeichen 8 Ca 157/02) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgericht in Kassel vom 10.09.02 – 8 Ca 157/02 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum ob die Beklagte verpflichtet ist, nach dem Tod eines ihrer Arbeitnehmer an dessen Ehefrau – die Klägerin – Lohnweiterzahlung und ein tarifliches Sterbegeld zu zahlen, oder ob sie dies verweigern kann, weil die Eheleute nicht mehr in häuslicher Gemeinschaft lebten.
Der auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft einzelvertraglicher Vereinbarung anwendbare Manteltarifvertrag für Brauereien in Hessen in der Fassung vom 11. Dezember 1996 (fortan: MTV) enthält folgende Bestimmung:
§ 13 Sterbegeld
1. Beim Tode eines Arbeitnehmers wird dem hinterbliebenen unterhaltsberechtigten Ehegatten oder den unterhaltsberechtigten Kindern oder sonstigen Familienangehörigen, wenn der Verstorbene deren Unterhalt ganz oder überwiegend getragen hat und diese mit dem Verstorbenen in häuslicher Gemeinschaft lebten, das Entgelt des laufenden Monats weitergezahlt, wenn während dieser Zeit Entgeltanspruch oder Entgeltzahlungsanspruch bestanden hätte.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe das rechnerisch unstreitige Sterbegeld nach dieser Bestimmung zu. Auf eine häusliche Gemeinschaft mit dem unterhaltsberechtigten Ehegatten käme es nicht an. Jedenfalls sei die Trennung nur probeweise gewesen, die häusliche Gemeinschaft habe fortbestanden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 8.420,87 brutto als Sterbegeld nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der EZB ab dem 10. September 2002 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, nach § 13 MTV sei Voraussetzung für Leistungen, dass der verstorbene Arbeitnehmer mit der anspruchsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft gelebt habe. Das sei bei dem verstorbenen Arbeitnehmer, dem Ehemann der Klägerin, nicht der Fall gewesen, was sich aus einer Ummeldung und der Änderung seiner Lohnsteuerklasse auch nach außen erkennbar gezeigt habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben mit Urteil vom 10. September 2002, auf das Bezug genommen wird.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Wegen der für die Zulässigkeit der Berufung erheblichen Daten wird auf das Protokoll vom 14. Mai 2003 verwiesen.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Sie beantragt,
das am 10.09.2002 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Kassel – Az.: 8 Ca 157/02 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Weiterhin verweist sie darauf, dass sie nach dem Tod ihrs verstorbenen Ehemanns alle im Zusammenhang mit dem Todesfall aufgetretenen Rechnungen beglichen habe.
Das Amtsgericht Kassel hat mit Beschluss vom 04. April 2003 gem. §§ 21, 22 InsO zur Sicherung der Masse und zum Schutz der Gläubiger Anordnungen getroffen, wonach zur vorläufigen Verwaltung des Vermögens der Beklagten eine Insolvenzverwalterin bestellt wird und Verfügungen der Antragstellerin nur mit Zustimmung der vorläufigen Insolvenzverwalterin wirksam sind. Wegen des genauen Inhalts des Beschlusses wird auf Bl. 160 d.A. verwiesen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klage ist begründet. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt. Das Berufungsgericht folgt den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts.
Das Verfahren wurde durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 04. April 2003 nicht gem. § 240 ZPO unterbrochen. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Beklagten war nicht auf eine vorläufige Insolvenzverwalterin übergegangen, wie § 240 Satz 2 ZPO verlangt. Vielmehr ist in dem Beschluss über die Bestellung einer vorläufigen Insolvenzverwalterin nur angeordnet, dass Verfügungen der Beklagten deren Zustimmung bedürfen. Die Verfügungsbefugnis ist damit bei der Beklagten verblieben und lediglich durch ein Zustimmungserfordernis eingeschränkt worden.
Die Auslegung des § 13 MTV durch das Arbeitsgericht ist zutreffend und umfassend begründet. Zu betonen ist, dass es nur bei den sonstigen Familienangehörigen der Einschränkung bedarf, dass deren Unterhalt ganz oder überwiegend getragen wird und diese mit dem Verstorben...