Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des freien Arbeitsplatzes im Sinne von § 9 TzBfG. Zulässigkeit der Befristung eines Vertretungsarbeitsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Arbeitsplatz, der befristet besetzt wird, um einen aufgrund von Elternzeit abwesenden Stelleninhaber zu vertreten, ist kein freier Arbeitsplatz im Sinne des § 9 TzBfG.
2. Der öffentliche Arbeitgeber hat aufgrund seiner Organisationsfreiheit das Recht, zwischen verschiedenen Möglichkeiten einer Stellenbesetzung zu wählen. Wie er diese Organisationsfreiheit nutzt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen (im Anschluss an BAG, 12.04.2016, 9 AZR 673/14). Die Entscheidung, vor einer befristeten Einstellung eines Arbeitnehmers als Elternzeit-Vertretung von einer Ausschreibung und einem Auswahlverfahren gemäß Art 33 Abs. 2 GG abzusehen, kann von der dem öffentlichen Arbeitgeber zustehenden Organisationsfreiheit gedeckt sein.
Normenkette
TzBfG § 9; BGB §§ 275-276, 278, 280-281, 283, 251-252, 823; GG Art. 33
Verfahrensgang
ArbG Gießen (Entscheidung vom 05.02.2016; Aktenzeichen 9 Ca 283/15) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 05. Februar 2016 - 9 Ca 283/15 - teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Aufstockungsverlangen des in Teilzeit beschäftigten Klägers und dem Abschluss befristeter Vertretungsarbeitsverträge mit anderen Arbeitnehmern seitens des beklagten Landes.
Der Kläger ist seit dem 03. Februar 2003 bei dem beklagten Land als Lehrkraft beschäftigt. Zunächst arbeitete er auf Grundlage zahlreicher befristeter Arbeitsverträge. Im Rahmen einer vor dem Arbeitsgericht Gießen erhobenen Entfristungsklage (9 Ca 59/15) einigte sich der Kläger mit dem beklagten Land am 05. Mai 2015 auf eine unbefristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Hinsichtlich der Einzelheiten wird ergänzend auf den Beschluss über das Zustandekommen eines Vergleichs gemäß § 278 Abs. 6 ZPO des Arbeitsgerichts Gießen - 9 Ca 59/15 - vom 05. Mai 2015 Bezug genommen (Bl. 11 - 12 d. A.). Der Kläger arbeitet seither mit einer Wochenstundenzahl von 14 Stunden als Lehrkraft, zuletzt an der A in B einer Förderschule. Der Kläger ist Tischlermeister. Er legte die erste Staatsprüfung für das Lehramt an beruflichen Schulen erfolgreich mit der Note befriedigend ab. In der Zeit vom 01. Februar 2010 bis zum 31. Januar 2012 absolvierte er den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an beruflichen Schulen, brach diesen jedoch vor Ablegen der zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an beruflichen Schulen ab. Während der Lehrtätigkeit unterrichtete der Kläger insbesondere die Fächer Holztechnik, Politik und Wirtschaft, Mathematik, Ethik und Gesellschaftslehre, Physik, Chemie und Arbeitslehre. Der Kläger wird gemäß Entgeltgruppe E 11 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen (TV-H) vergütet. In der Zeit von Mai 2015 bis August 2016 verdiente der Kläger mit der Teilzeittätigkeit monatlich € 1.701,78 brutto. Bei Wahrnehmung einer Vollzeitstelle lag das monatliche Gehalt in diesem Zeitraum bei € 3.522,74 brutto.
Mit Schreiben vom 21. Mai 2015 beantragte der Kläger die Erhöhung seiner Wochenstundenzahl auf 29 Stunden und bat, ihn über frei werdende Stellen zu informieren. In diesem Schreiben heißt es u. a. wie folgt:
"Bewerbung um eine Erhöhung meiner Wochenstunden auf 29 Stunden / Verlängerung meiner Arbeitszeit
(...) Durch Informationen des Personalrates wurde ich darauf hingewiesen, dass an unserer Schule eine hohe Zahl an TV-H Stunden zu vertreten sind. Aufgrund der Tatsache, dass ab Anfang diesen Monats mehrere Lehrkräfte aufgrund Elternzeit etc. über einen längeren Zeitraum ausfallen und deren Wegfall kompensiert werden muss, mithin neue Stellen jedenfalls befristet frei werden, würde ich sehr gerne bei der Besetzung anfallender Lehrkraftstellen behilflich sein und bitte darum, dass Sie meinen Wunsch nach Verlängerung der Arbeitszeit (wenn möglich 29 Wochenstunden) entsprechend berücksichtigen.
(...)."
Ergänzend wird auf Bl. 284 in dem Verfahren 9 Ga 6/15 bzw. 13 SaGa 1468/15 Bezug genommen. Mit Schreiben vom 02. Juni 2015 verwies das Staatliche Schulamt für den C und den D den Kläger auf die üblichen Stellenausschreibungen. Ergänzend wird auf Bl. 13 d. A. verwiesen. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 21. Juli 2015 (Bl.14 - 16 d. A.) machte der Kläger seinen Auskunftsanspruch gemäß § 7 Abs. 2 TzBfG geltend. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Schreibens verwiesen (Bl. 14 - 16 d. A.). Mit Schreiben vom 28. Juli 2015 teilte das Staatliche Schulamt dem Kläger mit, dass befristete Arbeitsverträge gemäß TV-H abgeschlossen worden seien, um befristete Ausfälle von Lehrkräften zu kompensieren. Das Staatliche S...