EuGH, Urteil v. 17.3.2021, C-585/19
Hat ein Arbeitnehmer mit demselben Arbeitgeber mehrere Arbeitsverträge geschlossen, gilt die tägliche Mindestruhezeit für die Verträge zusammengenommen und nicht für jeden der Verträge separat.
Sachverhalt
Die Akademie für wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge in Bukarest, Rumänien (ASE), erhielt eine von den rumänischen Behörden gewährte nicht rückzahlbare europäische Finanzierung für die Durchführung eines sektoriellen operationellen Programms zur Personalentwicklung. Am 4.6.2018 belastete das Ministerium für Bildung, Rumänien, die Akademie mit einer Haushaltsforderung in Höhe von ca. umgerechnet 3.000 EUR, was den Gehaltskosten für Arbeitnehmer der Arbeitsgruppe zur Durchführung des Projekts entsprach. Diese Beträge wurden für nicht erstattungsfähig erklärt mit der Begründung, die Höchststundenzahl (13 Stunden), die diese Arbeitnehmer täglich arbeiten könnten, seien überschritten worden; denn in der Zeit von Oktober 2012 bis Januar 2013 hätten bei der ASE beschäftigte Sachverständige aufgrund von mehreren Arbeitsverträgen an bestimmten Tagen die im Rahmen der Regelarbeitszeit gearbeiteten 8 Stunden mit den im Rahmen des Projekts oder im Rahmen von anderen Projekten gearbeiteten Stunden kumuliert. Somit habe die Gesamtzahl der pro Tag geleisteten Arbeitsstunden für diese Sachverständigen die in den Anweisungen der das Projekt verwaltenden Behörde vorgesehene Obergrenze von 13 Stunden pro Tag überschritten.
Das mit der Rechtssache befasste Gericht fragt nun den EuGH, ob die in Art. 3 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG vorgesehene tägliche Mindestruhezeit, wenn ein Arbeitnehmer mit demselben Arbeitgeber mehrere Arbeitsverträge geschlossen hat, für diese Verträge zusammengenommen oder für jeden dieser Verträge für sich genommen gilt.
Die Entscheidung
Der EuGH entschied, dass die tägliche Mindestruhezeit für die Verträge zusammengenommen gilt und nicht für jeden der Verträge für sich genommen.
Es führte hierzu aus, dass die Arbeitszeitrichtlinie den Begriff "Arbeitszeit" als jede Zeitspanne definiere, während der ein Arbeitnehmer arbeite, dem Arbeitgeber zur Verfügung stehe und seine Tätigkeit ausübe oder Aufgaben wahrnehme. Sie verpflichte die Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit "jedem Arbeitnehmer" pro 24-Stunden-Zeitraum eine Mindestruhezeit von 11 zusammenhängenden Stunden gewährt werde.
Dagegen sei die "Ruhezeit" als jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit definiert. Somit seien "Ruhezeit" und "Arbeitszeit" Begriffe, die einander ausschließen; eine Zwischenstufe zwischen den Arbeitszeiten und den Ruhezeiten sehe die Richtlinie nicht vor.
Der Gerichtshof führte sodann aus, dass die Anforderung der Arbeitszeitrichtlinie, dass jedem Arbeitnehmer täglich mindestens 11 zusammenhängende Ruhestunden gewährt werden, nicht erfüllt werden könnten, wenn diese Ruhezeiten für jeden Vertrag zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber getrennt geprüft werden; denn dann können Zeiten wie hier, die im Rahmen eines Vertrags als Ruhezeiten angesehen werden, im Rahmen eines anderen Vertrags Arbeitszeiten darstellen. Da jedoch ein und derselbe Zeitraum nicht gleichzeitig als Arbeitszeit und als Ruhezeit eingestuft werden könne, seien die Arbeitsverträge, die ein Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber geschlossen hat, zusammen zu prüfen.