BGH, Beschluss vom 25.4.2024, IX ZB 55/23

Leitsatz (amtlich)

a) Die vom Arbeitgeber gezahlte Inflationsausgleichsprämie ist Arbeitseinkommen und als solches pfändbar.

b) Die Prämie ist Teil des wiederkehrend zahlbaren Arbeitseinkommens.

Sachverhalt

Der Schuldner ist als Krankenpfleger bei einer Einrichtung der C. beschäftigt. Gemäß der Anlage 1c Abs. 1 (Prämie zur Abmilderung des schnellen Anstiegs der Verbraucherpreise) der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des C. (fortan: AVR C.), gewährte der Arbeitgeber dem Schuldner eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 EUR zahlbar in Teilbeträgen in Höhe von 1.500 EUR zum 30.6.2023 und zum 30.6.2024.

Der Schuldner, über dessen Vermögen mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 27.2.2023 ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet worden war, hat mit Schreiben vom 9.6.2023 beantragt, die Unpfändbarkeit der Inflationsausgleichsprämie festzustellen und diese freizugeben.

Die Entscheidung

Der Antrag hatte keinen Erfolg.

Das Gericht führte aus, dass die Inflationsausgleichsprämie Arbeitseinkommen und somit nach Maßgabe des § 850c ZPO pfändbar sei und als solches in die Insolvenzmasse fiel, § 35 InsO; denn bei der dem Schuldner gewährten Inflationsausgleichsprämie handele es sich um eine aus eigenen Mitteln des Arbeitgebers gezahlte freiwillige Zusatzleistung zum Arbeitslohn und keine aus öffentlichen Mitteln finanzierte staatliche Hilfsmaßnahme (vgl. LG Münster, Beschluss vom 22.5.2023 – 5 T 77/23).

Zur Pfändbarkeit führte das Gericht aus, dass anders als bei der Energiepreispauschale der Gesetzgeber keine Unpfändbarkeit der Prämie angeordnet hatte. Sie stelle auch keine Erschwerniszulage im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO dar; denn eine Erschwernis nach § 850a Nr. 3 ZPO setze eine besondere Belastung bei der oder durch die Erbringung der Arbeitsleistung voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 13.7.2023 – IX ZB 24/22). Die Inflationsausgleichsprämie, die nach der Überschrift der Anlage 1c ARV C. der Abmilderung des Anstiegs der Verbraucherpreise diene, habe jedoch keinen Bezug zu der Art der Erbringung einer Arbeitsleistung. Des Weiteren sei die Inflationsausgleichsprämie auch nicht als Aufwandsentschädigung im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar; denn der Pfändungsschutz für Aufwandsentschädigungen habe seinen Grund darin, dass die Aufwandsentschädigung in Wirklichkeit kein Entgelt für eine Arbeitsleistung, sondern den Ersatz für tatsächlich entstandene Auslagen darstelle, für die der Empfänger der Vergütung bereits seine Gegenleistung aus seinem Vermögen erbracht habe oder noch erbringen müsse. Der Schuldner solle davor geschützt werden, dass ihm der Gegenwert für seine tatsächlichen Aufwendungen durch die Pfändung noch einmal entzogen und dass ihm damit letztlich die Fortführung seiner Tätigkeit unmöglich gemacht werde, weil er die dafür erforderlichen Auslagen nicht mehr aufbringen könne. Die Aufwandsentschädigungen werden somit für Aufwendungen gezahlt, die im Zusammenhang mit einer Tätigkeit notwendig werden und die nicht mit dem eigentlichen Entgelt für die Tätigkeit bereits abgegolten seien (BGH, Beschluss vom 6.4.2017 – IX ZB 40/16). Mit der Inflationsausgleichsprämie bezwecke der Arbeitgeber jedoch keinen Ausgleich tatsächlich entstandener Auslagen im Zusammenhang mit einer Tätigkeit, sondern die Abmilderung allgemein gestiegener Verbraucherpreise.

Zuletzt ergab sich die Unpfändbarkeit des Anspruchs auf Auszahlung der Prämie auch nicht aus § 851 Abs. 1 ZPO. Das Gericht führte hierzu aus, dass zwar Forderungen, die nach § 851 Abs. 1 ZPO, § 399 BGB unpfändbar seien, nicht Bestandteil der Masse sind. Und nach § 851 Abs. 1 ZPO sei eine Forderung nur pfändbar, wenn sie übertragbar sei. Damit verweise § 851 Abs. 1 ZPO unter anderem auf die Regelung des § 399 Fall 1 BGB, wonach eine Forderung nicht abgetreten werden könne, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen könne. Hierzu gehörten auch zweckgebundene Forderungen, soweit der Zweckbindung ein schutzwürdiges Interesse zugrunde liege (BGH, Beschluss vom 10.3.2021 – VII ZB 24/20). Die Inflationsausgleichsprämie sei gemessen an diesen Grundsätzen jedoch nicht zweckgebunden (vgl. u. a. LG Münster, Beschluss vom 22.5.2023 – 5 T 77/23); denn die Anlage 1c ARV C. formuliere mit der Abmilderung des schnellen Anstiegs der Verbraucherpreise einen Zweck, enthalte jedoch keine Zweckbindung, da in der Verwendung der Prämie der Arbeitnehmer frei sei. Anders als bei der Corona-Soforthilfe (BGH, Beschluss vom 10.3.2021 – VII ZB 24/20) oder der Corona-Überbrückungshilfe III (BGH, Beschluss vom 16.8.2023 – VII ZB 64/21) verlange die Anlage 1c ARV C. gerade keine zweckentsprechende Verwendung der Inflationsausgleichsprämie.

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