Rz. 13
Der Rechtsbegriff des Arbeitgebers wird in den einzelnen Rechtsbereichen in Nuancen unterschiedlich definiert (ausführlich zu den Unterschieden des arbeitsrechtlichen und des sozialrechtlichen Arbeitgeberbegriffs vgl. Wickel, Zeitschrift für das Juristische Studium – www.zjs-online.com, 2/2016, 189, 190 f.). Maßgebend für das Verständnis dieses Begriffs i. S. d. § 28e Abs. 1 Satz 2 ist das Sozialversicherungsrecht (a. A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 14.1.2011, L 1 KR 620/07: "Ob jemand Arbeitgeber ist oder nicht, entscheidet sich auch im Sozialversicherungsrecht nach den Grundsätzen des Arbeitsrechts."). Arbeitgeber im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist regelmäßig derjenige, zu dem ein anderer – der Beschäftigte – in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis steht (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 6.7.2020, L 8 BA 194/19 B ER; OLG Braunschweig, Beschluss v. 27.5.2015, 1 Ss 14/15). Das BSG hat bereits mit Urteil v. 20.12.1962 (3 RK 31/58) als Arbeitgeber i. S. d. Krankenversicherung im Zweifel denjenigen angesehen, der den Lohn schuldet. Im Übrigen ist sozialrechtlich derjenige der Arbeitgeber, der unter Ausübung des Direktionsrechts über die Arbeitskraft des Beschäftigten verfügt (hierzu im Einzelnen die Komm. zu § 7 SGB IV).
Rz. 14
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ist Beschäftigung – als Gegenstück zum Begriff des Arbeitgebers – die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis; Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine solche Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist (vgl. BSG, Urteil v 28.6.2022, B 12 R 4/20; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 6.7.2020, L 8 BA 194/19 B ER). Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – namentlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet (BSG, Urteil v. 29.3.2022, B 12 R 2/20 R; Urteil v. 14.3.2018, B 12 KR 13/17 R). Entscheidend für die Abgrenzung von unselbständiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sind – ausgehend vom Vertragsverhältnis der Beteiligten – die tatsächlichen Gegebenheiten der "gelebten Beziehung", die einer wertenden Gesamtbetrachtung zu unterziehen sind (hierzu auch BGH, Urteil v. 8.3.2023, 1 StR 188/22; Beschluss v 24.9.2019, 1 StR 346/18). Maßgebend für die rechtliche Einordnung eines Vertrages ist im Übrigen der Geschäftsinhalt und nicht eine von den Parteien gewählte Bezeichnung, die dem rechtlich nicht entspricht (hierzu BGH, Urteil v. 30.11.2023, 3 StR 192/18).
Rz. 15
Arbeitsrechtlich ist Arbeitgeber jeder, der einen Arbeitnehmer beschäftigt (BAG, Urteil v. 21.1.1999, 2 AZR 648/97). Legaldefinitionen des Arbeitgeberbegriffs finden sich beispielsweise in § 2 Abs. 3 ArbSchG oder § 6 Abs. 2 AGG. Maßgebend ist, mit wem der Arbeitsvertrag geschlossen wurde, mithin wer die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers kraft Arbeitsvertrages fordern kann und das Arbeitsentgelt schuldet. Die Arbeitgeberstellung wird vom Direktionsrecht geprägt, kraft dessen der Arbeitgeber die konkrete Leistungspflicht des Arbeitnehmers hinsichtlich Art, Ort und Zeit näher gestalten kann.
Rz. 16
Ein Arbeitgeber kann in allen möglichen Rechtsformen auftreten (hierzu auch § 2 Abs. 3 ArbSchG), nämlich als natürliche Person, als juristische Person des Privatrechts (z. B. GmbH, AG, e.G. und rechtsfähiger Verein), als juristische Person des öffentlichen Rechts (Bund, Land, Kommune, Körperschaften des öffentlichen Rechts, d. h. Anstalten oder Stiftungen), als Personengesellschaft (GbR – zur GbR ausführlich BGH, Urteil v. 29.1.2001, II ZR 331/00, oHG, KG, stille Gesellschaft und nicht rechtsfähiger Verein; zur Haftung eines Gesellschafters einer Vor-GmbH vgl.. BSG, Urteil v. 8.12.1999, B 12 KR 10/98; dazu auch Rz. 111). Die Zurechnung der Arbeitgebereigenschaft und damit die Verantwortlichkeit für die fristgerechte Beitragszahlung beginnt mit der Bestellung zum Geschäftsführer (vgl. hierzu auch Rz. 28).
Rz. 17
Das Strafrecht enthält keinen autonomen Arbeitgeberbegriff. Ob eine Person Arbeitgeber ist, richtet sich nach dem Sozialversicherungsrecht, das weitestgehend auf das Arbeitsrecht (BGH, Urteil v. 8.3.2023, 1 StR 188/22; vgl. auch BGH, Urteil v. 24.1.2018, 1 StR 331/17; OLG Hamm, Urteil v. 19.3.1988, 3 Ss 966/97; weiterführend vgl. Wickel, Zeitschrift für das Juristische Studium...