2.1 Bedeutung des Vorstandes
Rz. 3
Der Vorstand als 2. Selbstverwaltungsorgan hat die umfassende Zuständigkeit für alle Geschäfte, durch die der Versicherungsträger verwaltet wird. Somit ist nur die autonome Rechtsetzungsbefugnis ausgeschlossen. Er ist das Exekutivorgan des Versicherungsträgers und wird von der Vertreterversammlung gewählt (§ 52). Aufgrund seiner umfassenden Verwaltungskompetenz hat er im Zweifelsfall eine Verwaltungsaufgabe wahrzunehmen. Andererseits wird sein Aufgabenbereich dadurch beschränkt, dass Gesetz oder sonstiges für den Versicherungsträger maßgebendes Recht (insbesondere die Satzung) Abweichendes bestimmen können. Abweichende Regelungen können grundsätzlich auch in Verwaltungsvorschriften vorhanden sein (BayLSG, BG 2000 S. 479). Daraus ergibt sich eine klare Abgrenzung zu den Aufgaben anderer Organe des Versicherungsträgers (Vertreterversammlung und Geschäftsführer). Von den Befugnissen des Vorstandes sind die des Vorsitzenden zu unterscheiden. So obliegt etwa das Recht zur Beanstandung von Rechtsverstößen allein dem Vorsitzenden.
2.2 Verwaltungsaufgaben des Vorstandes
Rz. 4
Die Aufgabe der Verwaltung des Versicherungsträgers umfasst die komplette öffentlich-rechtliche und fiskalische Tätigkeit des Versicherungsträgers. Dazu sind insbesondere zu zählen schlichtes Verwaltungshandeln, interne organisatorische Maßnahmen, Erlass von Verwaltungsakten sowie Abschluss von (öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen) Verträgen. Zu beachten ist aber, dass diese Verwaltungsaufgaben dann nicht in den Zuständigkeitsbereich des Vorstandes fallen, wenn es sich um laufende Verwaltungsgeschäfte handelt. Für diese ist der Geschäftsführer zuständig. Die Verwaltungsaufgaben hat der Vorstand – anders als die Vertretung des Versicherungsträgers – als Gesamtheit wahrzunehmen.
Rz. 5
Der Vorstand hat jedoch die Möglichkeit, einzelne ihm zugewiesene Verwaltungsaufgaben auf andere Organe oder Ausschüsse gemäß § 36a zu übertragen. Von den Ausschüssen nach § 36a ist jedoch der Bundesvorstand (früher Ausschuss des Vorstandes) der Deutschen Rentenversicherung Bund zu unterscheiden, der Organcharakter hat. Die Übertragung erfolgt durch Satzungsvorschriften, die jedoch die in §§ 33 ff. den anderen Organen übertragenen Aufgaben nicht einschränken dürfen. So kann insbesondere die dem Geschäftsführer übertragene Aufgabe der Führung der laufenden Verwaltungsgeschäfte nicht anderen Personen oder Gremien zugewiesen werden.
2.3 Vertretung des Versicherungsträgers
Rz. 6
Die dem Vorstand zustehende gerichtliche und außergerichtliche Vertretungsbefugnis betrifft im Gegensatz zur Verwaltung als innerer Willensbildung des Versicherungsträgers die wirksame Verwirklichung des Willens nach außen hin. So ist z. B. die Entscheidung über eine Personaleinstellung durch den Vorstand ein Akt der inneren Willensbildung, während der Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Bediensteten eine Angelegenheit der Vertretung ist. Auch hier jedoch ist die Zuständigkeit des Geschäftsführers für laufende Verwaltungsgeschäfte zu beachten.
Rz. 7
Die Vertretung des Versicherungsträgers obliegt grundsätzlich dem Vorstand als Kollegialorgan. Jedoch kann – anders als bei der Verwaltung des Versicherungsträgers – durch die Satzung und im Einzelfall das Vertretungsrecht per Vorstandsbeschluss auf einzelne Mitglieder des Vorstandes übertragen werden. Eine Übertragung der Vertretungsbefugnis auf den Geschäftsführer ist hingegen nicht möglich (Winkler, in: LPK-SGB IV, § 35 Rz. 5).
Rz. 8
Wenn der Vorstand oder ein Mitglied die ihm übertragene Vertretungsmacht überschreitet, so entfaltet sein Handeln keine Rechtswirkung für den Versicherungsträger, soweit nicht nach den Grundsätzen der Anscheins- oder Duldungsvollmacht eine Zurechnung erfolgt. Soweit jedoch einem Dritten dadurch ein Schaden entsteht, haftet der Versicherungsträger für das Fehlverhalten seines Organs gemäß § 42.
2.4 Richtlinienkompetenz
Rz. 9
Da dem Vorstand die umfassende Verwaltungskompetenz vom Gesetzgeber zugewiesen ist, ist es nur konsequent, ihm (in Abs. 2) die Befugnis zum Erlass von Richtlinien einzuräumen. Die Richtlinien können sowohl materiell-rechtliche wie auch verfahrensrechtliche Inhalte zum Gegenstand haben (Hindere, NZS 2015 S. 14). Sie bilden jedoch kein autonomes Recht, da sie nur interne Wirkung haben. Eine Vereinfachung der Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Geschäftsführer wird dadurch bewirkt, dass sich der Regelungsinhalt der Richtlinien auf die Festlegung abstrakt-genereller Maßstäbe für die Art und Weise der Erledigung der Verwaltungsaufgaben durch den Geschäftsführer beschränkt (vgl. BSG, SozR 3-2400 § 87 Nr. 1, zu Richtlinien für die Nutzung von Dienstfahrzeugen). Die Richtlinien dienen nur der Konkretisierung, nicht aber der Verschiebung von Kompetenzen (Becker, SGb 2005 S. 676). Der Vorstand kann keineswegs durch Richtlinien eine Grundlage für die Entscheidung von Einzelfällen schaffen, die zum Zuständigkeitsbereich des Geschäftsführers gehören (BT-Drs. 7/4122 S. 35). Da die ursprüngliche Regelung in § 35 Abs. 2 eine "Kann-Regelung" war und erst im Laufe der Gesetzgebung in "erfasst" geändert wu...