0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist am 1.7.1977 in Kraft getreten. Sie hat die bis dahin geltenden § 3 Abs. 5, § 7 Abs. 1, 2 und 7, § 9 Abs. 5 und 6 des Selbstverwaltungsgesetzes (SVwG) ersetzt und wurde durch das Zweite SGB IV-ÄndG v. 10.8.2003 (BGBl. I S. 1600) ab 15.8.2003 wie folgt geändert:
In Abs. 2 Satz 1 wurde die bisherige Trennung der Versichertenältesten bei der (früheren) Bundesknappschaft nach Arbeitern und Angestellten fallen gelassen; die ebenfalls von dieser Trennung ausgehenden Sätze 3 und 4 des Abs. 2 wurden gestrichen.
Das Gesetz zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) v. 9.12.2004 (BGBl. I S. 3242) hat mit Wirkung zum 1.10.2005 den Abs. 2 im Hinblick auf die durch dieses Gesetz durchgeführten organisatorischen Änderungen in der Rentenversicherung aufgehoben. Die bisherigen Abs. 3 und 4 wurden dadurch zu den Abs. 2 und 3. Für die Sozialversicherungswahlen 2005 hatten diese Gesetzesänderungen noch keine Bedeutung. Die Übergangsvorschrift des Art. 83 § 5 RVOrgG stellte sicher, dass das Ergebnis der Sozialversicherungswahl 2005, die noch nach den alten Regelungen durchgeführt wurde, und damit die bisherige Disparität bis zur Sozialversicherungswahl 2011 beibehalten wurde. Das Gesetz zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung v. 12.4.2012 (BGBl. I S. 579) hat Abs. 1 mit Wirkung zum 1.1.2013 redaktionell angepasst.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift legt die Grundzüge des Verfahrens für die Wahl der Vertreterversammlung fest. Diese erfolgt gemäß Abs. 1 grundsätzlich in einer sog. Urwahl, d. h. durch die Versicherten und die Arbeitgeber getrennt aufgrund von Vorschlagslisten. Die Besonderheit bei der (früheren) Bundesknappschaft, bei der die Versicherten zunächst die Versichertenältesten und diese dann ihrerseits die Versichertenvertreter der Vertreterversammlung wählten, ist entfallen. Insoweit ist dem Grundsatz der Unmittelbarkeit entsprochen worden.
Abs. 2 regelt den Sonderfall der sog. Friedenswahl, während Abs. 3 das Verfahren regelt, wenn eine Wahl nicht zustande kommt oder nicht eine ausreichende Zahl von Mitgliedern gewählt wird.
2 Rechtspraxis
2.1 Wahl durch Versicherte und Arbeitgeber (Abs. 1)
Rz. 3
Die in Abs. 1 geregelte sog. Urwahl betrifft folgende 3 Gruppen Beteiligter, die jeweils getrennt aufgrund von Vorschlagslisten die Vertreter ihrer Gruppe in die Vertreterversammlung wählen:
- die Versicherten,
- die Arbeitgeber und
- (in der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau) die Selbständigen ohne fremde Arbeitskräfte.
Die hier bei der Wahl der Vertreterversammlung vorgesehene Urwahl unterscheidet sich von der Wahl des Vorstands und von der Wahl der Versichertenältesten und Vertrauenspersonen. Vorstand, Versichertenälteste und Vertrauenspersonen der Arbeitgeber werden gemäß § 39 Abs. 2, §§ 52 und 61 von der Vertreterversammlung gewählt.
Rz. 4
Es handelt sich nicht um eine Persönlichkeitswahl, sondern es gilt eine Liste, auf deren Zusammensetzung die Wähler keinen Einfluss haben. Die Wähler haben nur die Möglichkeit, sich mit ihrer Stimme für eine der in dem Stimmzettel aufgeführten Gruppierungen zu entscheiden. Die hierin liegende Beschränkung der Wahlmöglichkeit ist aber verfassungsgerichtlich unbedenklich (BVerfGE 7 S. 63).
Rz. 5/6
(unbesetzt)
2.2 Friedenswahl (Abs. 2)
Rz. 7
Von einer Wahlhandlung abzusehen erlaubt die Regelung nach Abs. 3 dann, wenn entweder
- nur eine Liste eingereicht worden ist oder
- im Falle mehrerer Listen insgesamt nur so viele Bewerber genannt worden sind, wie Mitglieder zu wählen sind.
- In beiden Fällen gelten die vorgeschlagenen Bewerber als gewählt (Abs. 3; § 28 Abs. 3 Wahlordnung für die Sozialversicherung – SVWO). Die Feststellung, dass es nicht zu einer Wahl mit Wahlhandlung gekommen ist, trifft der für den Versicherungsträger gebildete Wahlausschuss. Das Wahlergebnis ist rechtzeitig vor Beginn des eigentlichen Wahlverfahrens bekanntzugeben.
Rz. 8
Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Regelung dieser "Wahl ohne Wahlhandlung" (vgl. Formulierung in §§ 28, 66 SVWO) bestehen nicht, da eine Wahlhandlung in den genannten Fällen eine bloße Förmlichkeit wäre (BSGE 36 S. 246).
2.3 Verfahren in Sonderfällen (Abs. 3)
Rz. 9
Eine Ausnahmeregelung trifft Abs. 3 für die Fälle, dass
- eine Wahl zur Vertreterversammlung nicht zustande gekommen ist oder
- nicht die vorgeschriebene Zahl von Mitgliedern gewählt worden ist oder
- kein Stellvertreter benannt worden ist.
In diesen Ausnahmefällen, die jedoch grundsätzlich nicht vorliegen, wenn die Wahl an Versäumnissen oder Formfehlern gescheitert ist, hat der Vorstand oder – im Falle neu errichteter Versicherungsträger – der Wahlausschuss die jeweilige Aufsichtsbehörde zu verständigen (Sätze 1 und 3). Diese beruft die fehlenden Mitglieder oder Stellvertreter (Satz 2). Die Vorschrift ist eng auszulegen, da das Recht der Versicherten und Arbeitgeber, die Organe zu wählen, durch Eingriffe der Aufsichtsbehörde beschränkt wird und dies nur als ultima ratio der Fall sein kann.
2.4 Anwendung der Vorschriften auf den Verwaltungsrat
Rz. 10
Die jeweils die Vertreterversammlung ansprechenden Vorschriften der Abs. 1, 2 und 3 sind auch auf den Verwaltungsrat anwendbar, der...