Rz. 116
Für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft gilt: Auch "Dienste höherer Art" (vgl. hierzu Rz. 48, 81, 89, 97) können im Rahmen einer Beschäftigung geleistet werden, wenn sie fremdbestimmt (vgl. hierzu Rz. 24, 48, 59, 81, 89, 92, 97, 122, 176) bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (BSG, Urteil v. 17.12.2014, B 12 R 13/13 R; Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter im Rechtssinne entfällt, zeigen die gesetzlichen Regelungen zum Nichtbestehen von Versicherungspflicht bei den Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung und im Recht der Arbeitsförderung (vgl. § 1 Satz 3 SGB VI, § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III; hierzu BSG, Urteil v. 5.3.2014, B 12 KR 1/12 R; Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R). Diese Personen sind insoweit sozialversicherungsrechtlich den für Beschäftigte geltenden Regelungen unterworfen, obwohl sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft des Unternehmens Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (BSG, Urteil v. 17.12.2014, B 12 R 13/13 R; Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R; Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R; Urteil v. 12.1.2011, B 12 KR 17/09 R; LSG Sachsen, Urteil v. 15.10.2015, L 1 KR 92/10). Allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbstständigen. Vorstandmitglieder sind dennoch vielfach nicht versicherungspflichtig, weil ihre Einnahmen i. d. R. die in diesen Versicherungszweigen bestehende Versicherungspflichtgrenze (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) überschreiten (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R).
Rz. 117
Für die gesetzliche Unfallversicherung gilt, dass Vorstandsmitglieder einer AG mangels persönlicher Abhängigkeit i. d. R. keine Beschäftigten i. S. d. § 7 Abs. 1 sind. Das BSG (Urteil v. 14.12.1999, B 2 U 38/98 R) begründet dies damit, dass das AktG die Tätigkeit der Vorstandsmitglieder im Wesentlichen als nicht abhängig regelt. Der Vorstand habe die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten (§ 76 Abs. 1 AktG). Ihm obliege die Geschäftsführung (§ 77 Abs. 1 AktG) und die Vertretungsbefugnis nach außen (§ 78 AktG), die nicht beschränkt werden könne (§ 82 Abs. 1 AktG). Den Vorstandsmitgliedern könne für ihre Tätigkeit eine Beteiligung am Gewinn gewährt werden. Ihre Gesamtbezüge (Gehalt, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art) müssten in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen (§ 87 Abs. 1 AktG). Sie unterlägen keinen Weisungen durch den Aufsichtsrat. Dieser habe lediglich eine Überwachungsfunktion (§ 111 Abs. 1 AktG). Auch die Hauptversammlung könne über die dem Vorstand obliegenden Fragen der Geschäftsführung nur entscheiden, wenn dieser es verlange (§ 119 Abs. 2 AktG). Schließlich könne ein Vorstandsmitglied nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen werden (§ 84 Abs. 3 Satz 1 AktG).
Rz. 118
Die Wahrnehmung von Funktionen eines gesetzlichen Vertreters bedeutet für das Vorstandsmitglied einer eingetragegnen Genossenschaft noch nicht, dass es abhängig beschäftigt ist. Etwas anderes gilt dann, wenn das Vorstandsmitglied zugleich die laufenden Verwaltungsgeschäfte der Genossenschaft führt und dafür gleichbleibende Bezüge erhält (BSG, Urteil v. 21.2.1990, 12 RK 47/87; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 7.9.2012, L 1 KR 185/10 zur Genossenschaft, und Urteil v. 25.10.2013, L 1 KR 477/12 zur Stiftung des bürgerlichen Rechts). Nach § 1 Satz 3 SGB VI bzw. § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III sind Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft in dem Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, nicht versicherungspflichtig beschäftigt und damit versicherungsfrei in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Für die Mitglieder des Vorstands einer eingetragenen Genossenschaft sind die genannten Vorschriften nicht entsprechend anwendbar. Dem BSG zufolge stellt § 1 Satz 3 SGB VI allein auf das formale Merkmal der Zugehörigkeit zum Vorstand einer Aktiengesellschaft ab, während die Ausnahme von der Rentenversicherungspflicht allein von der Rechtsform der Gesellschaft abhängig ist, der die Vorstandsmitglieder vorstehen (BSG, Urteil v. 27.2.2008, B 12 KR 23/06 R).
Rz. 119
Bezogen auf Vorstandsmitglieder großer Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG) soll diese typisierende Regelung über den Wortlaut hinaus analog angewandt werden, weil Vorschriften des Aktiengesetzes über eine Verweisung im Versicherungsaufsichtsgesetz für den Vorstand eines VVaG entsprechend gelten und dessen Mitglieder Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft deshalb rechtlic...