Rz. 170
§ 7 Abs. 2 bestimmt, dass als Beschäftigung auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fähigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung gilt (BT-Drs. 7/4122 S. 31). Die in § 7 Abs. 2 gelisteten betrieblichen Bildungsmaßnahmen werden der Beschäftigung (§ 7 Abs. 1) im Wege einer unwiderleglichen Vermutung gleichgesetzt. Im Gegensatz zur Fiktion ("gilt") in § 7 Abs. 1b kann der geregelte Sachverhalt im Einzelfall tatsächlich vorliegen. Demzufolge enthält § 7 Abs. 2 eine unwiderlegliche Vermutung und keine Fiktion (zum Unterschied von Fiktionen und unwiderleglichen Vermutungen vgl. Zippelius, § 6c). "Beschäftigung" nach § 7 ist nicht nur die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1), sondern auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung (§ 7 Abs. 2).
Rz. 171
Ziel des § 7 Abs. 2 ist die Qualifikation für eine Beschäftigung i. S. d. § 7 Abs. 1 Satz 1. Hieraus und angesichts des systematisch-inhaltlichen Zusammenhangs der Abs. 1 und 2 ergibt sich, dass es sich bei Abs. 2 um eine ergänzende Vorschrift zu Abs. 1 handelt (BSG, Urteil v. 3.2.1994, 12 RK 78/92). Das wiederum bedeutet, dass die allgemeinen Grundsätze für die Beschäftigung i. S. d. Abs. 1 auch für die Regelung des Abs. 2 gelten. Die betriebliche Bildungsmaßnahme muss hinsichtlich ihrer Durchführung einer nichtselbständigen Tätigkeit entsprechen, also in persönlicher Abhängigkeit und freiwillig erfolgen. Infolgedessen muss auch die betriebliche Berufsbildung vor allem in persönlicher Abhängigkeit und auf der Grundlage der Freiwilligkeit erfolgen, um als Beschäftigung anerkannt zu werden. Sind die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 gegeben, liegt eine Beschäftigung i. S. d. § 7 Abs. 1 vor mit der Folge, dass grundsätzlich die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung begründet wird. Dem § 7 Abs. 2 zuzuordnende Zeiten werden z. B. bei der Berechnung der Rente als beitragsgeminderte Zeit gewertet (§ 54 Abs. 3 Satz 2 SGB VI).
Rz. 172
Was unter Berufsausbildung im Sinne der o. g. Normen zu verstehen ist, ist weder in den Versicherungspflichttatbeständen selbst noch in § 7 Abs. 2 geregelt. Der Begriff der Berufsausbildung ist daher grundsätzlich nach den Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) auszulegen (vgl. BSG, Urteil v. 12.10.2000, B 12 KR 7/00 R unter Bezugnahme auf BT-Drs. 7/4122 S. 31; vgl. auch LSG Bayern, Urteil v. 17.12.2009, L 14 R 162/08). Das BBiG legt damit zugleich die Grenzen des sachlichen Anwendungsbereichs der Tatbestände der Versicherungspflicht fest (BSG, Urteil v. 1.12.2009, B 12 R 4/08 R). So verweist auch die amtliche Begründung zu § 7 Abs. 2 auf das BBiG (BT-Drs. 7/1422 S. 31).
Rz. 173
Die Berufsbildung umfasst die Berufsausbildungsvorbereitung, die Berufsausbildung, die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung (§ 1 Abs. 1 BBiG). Die Berufsausbildungsvorbereitung dient dem Ziel, durch die Vermittlung von Grundlagen für den Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit an eine Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf heranzuführen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 BBiG). Dem Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsausbildung dienende Zeiten sind berufliche Ausbildung (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 21.2.2017, L 11 R 343/15 zu § 54 Abs. 3 Satz 2 SGB VI). Anders gewendet: Die Berufsausbildung hat die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln. Sie hat ferner den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 BBiG).
Rz. 174
Die berufliche Fortbildung soll es ermöglichen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erhalten und anzupassen oder zu erweitern und beruflich aufzusteigen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 BBiG). Sie setzt nicht voraus, dass der Umschüler bereits eine Berufsausbildung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BBiG absolviert hat. Ausreichend ist es, wenn die berufliche Fortbildung nach Inhalt, Art, Ziel und Dauer auf eine fachlich andersartige Tätigkeit vorbereiten. Demgegenüber werden allgemeinbildende Fortbildungen nicht erfasst. Maßgebend ist, ob die für den konkreten Beruf erforderlichen und geeigneten Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten vermittelt werden.
Rz. 175
Einer Berufsausbildung i. S. d. § 7 Abs. 2 steht die berufliche Umschulung gleich, wenn die Umschulung für einen anerkannten Ausbildungsberuf erfolgt und nach den Vorschriften des BBiG betriebsgebunden durchgeführt wird (BSG, Urteil v. 27.7.2011, B 12 R 16/09 R; Urteil v 26.6.1985, 12 RK 12/84; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 21.2.2017, L 11 R 343/15 zu § 54 Abs. 3 Satz 2 SGB VI; VGH Bayern, Urteil v. 2.5.2012, 12 BV 10.2058). Diese Gleichstellung erstreckt das BSG auf Bildungsgänge, die nicht auf die Qualifikation für einen an...