2.1 Voraussetzungen, Verfahren und Ermächtigung des Vorstands (Abs. 1)
Rz. 3
Voraussetzung für die Zulassung der vorläufigen Haushaltsführung durch den Vorstand ist, dass der Haushaltsplan nicht rechtzeitig zum Beginn des Haushaltsjahres in Kraft treten konnte. Grund dafür kann sein, dass
- der Haushaltsplan entgegen dem Grundsatz der Vorherigkeit vom Vorstand verspätet aufgestellt wurde oder, bei den nach § 70 dazu verpflichteten Versicherungsträgern, verspätet der Aufsichtsbehörde bzw. der Bundesregierung vorgelegt wurde,
- Rückmeldungen der Aufsichtsbehörde bzw. der Bundesregierung nicht rechtzeitig beim Versicherungsträger eingingen oder deren Beanstandungen von der Vertreterversammlung bzw. vom Verwaltungsrat bei der Feststellung des Haushaltsplans nicht berücksichtigt wurden,
- die Vertreterversammlung bzw. der Verwaltungsrat die Feststellung nicht rechtzeitig behandelt hat,
- der festgestellte Haushaltsplan von den betroffenen Versicherungsträgern (Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, Bundesagentur für Arbeit, Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation, Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, Unfallversicherung Bund und Bahn) verspätet der genehmigenden Stelle (Bundesregierung, Bundesversicherungsamt) vorgelegt wurde oder die Genehmigung von dort für einzelne Ansätze versagt, verspätet oder unter Bedingungen und mit Auflagen erteilt wurde.
Im Falle einer Nichtgenehmigung oder einer Beanstandung ist das Verfahren nach § 89 mitsamt vorangehender Beratung und Fristsetzung mit Verpflichtungsbescheid zu beachten. Dabei wird von der Aufsichtsbehörde neben einer individuellen Beratung auch verlangt, dem Versicherungsträger mögliche Maßnahmen aufzuzeigen, wie er die Rechtsverletzung beheben kann (vgl. BSG, Entscheidung v. 20.6.1990, 1 RR 4/89). Sofern Klage gegen die Aufsichtsmittel erhoben wurde, hat diese nach § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung und der Haushaltsplan wird wirksam (sofern die aufschiebende Wirkung nicht aufgrund besonderer Regelungen entfällt, § 86a Abs. 2 SGG).
Rz. 4
Liegt die Notwendigkeit der vorläufigen Haushaltsführung vor, hat der Vorstand einen Beschluss über die vorläufige Haushaltsführung im Einklang mit der vorgesehenen Ermächtigung zu fassen. Eine Beteiligung der Vertreterversammlung bzw. des Verwaltungsrats sieht § 72 nicht vor. Fasst der Vorstand den erforderlichen Beschluss nicht, haben die Aufsichtsbehörde oder durch die Aufsichtsbehörde Beauftragte den Umfang der vorläufigen Haushaltsführung zu regeln (§ 37). Für die Bundesagentur für Arbeit gilt § 37 nicht (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2). Die vorläufige Haushaltsführung gemäß § 72 zuzulassen, ist bei der Bundesagentur für Arbeit eine Aufgabe der Leitung, die stets die Beschlussfassung durch den Vorstand erfordert (Geschäftsordnung des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit: § 13 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Buchst. e und § 7).
2.2 Umfang der vorläufigen Haushaltsführung
Rz. 5
Da sich die vorläufige Haushaltsführung nur auf die Ausgaben bezieht, ist eine vorläufige Haushaltsführung für die Verpflichtungsermächtigungen und die Einnahmen nicht vorgesehen.
Rz. 6
Die vorläufigen Ausgabeermächtigungen sind dahingehend begrenzt, dass nur solche Ausgaben geleistet werden dürfen, die unvermeidbar sind, d. h., sachlich notwendig und zeitlich unaufschiebbar, also nicht zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen können, um die in Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 bezeichneten Zwecke zu erreichen. In Abs. 1 Nr. 1 sind dabei die rechtlich begründeten Verpflichtungen und Aufgaben genannt, in Abs. 1 Nr. 2 sind Maßnahmen genannt, die in einem Haushaltsplan eines Vorjahres bereits bewilligt wurden und fortgesetzt werden sollen. Hierdurch sollen unwirtschaftliche Verzögerungen, insbesondere bei größeren (Bau-)Maßnahmen verhindert werden. Das heißt, neue Maßnahmen dürfen im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung nicht begonnen werden. Der Umfang der vorläufigen Haushaltsführung ist vom Vorstand zu beschließen, wobei im Einzelnen festzulegen sind:
- eine betragsmäßige Festlegung der Ausgabenhöchstgrenze für alle betroffenen Haushaltsstellen, bei denen rechtliche Zahlungsverpflichtungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Verwaltungsakte oder privatrechtlicher Vertragsbeziehungen bestehen;
- diejenigen Haushaltsstellen, bei denen zur Erfüllung gesetzlicher Aufgaben ein Ermessensspielraum nicht gegeben ist und Ausgaben deshalb ohne Bindung an einen Höchstbetrag geleistet werden müssen;
- eine Feststellung jener Bau- und Beschaffungsmaßnahmen, die fortzuführen sind, da für sie in Vorjahren bereits Beträge bewilligt worden sind, und die Feststellung der für die Fortführung benötigten Ausgabeermächtigungen;
- Grundsätze für die Stellenbewirtschaftung, die insbesondere berücksichtigen, dass im noch nicht in Kraft getretenen Haushaltsplan vorgesehene neue Planstellen/Stellen nicht besetzt werden dürfen.
Die Ausgabenhöchstgrenze wird i. d. R. der jeweilige Ausgabenansatz in dem noch nicht in Kraft getretenen Haushaltsplan sein. Ersatzweise ist auf den Haushaltsplan des Vorjahres zurückzugreifen. Bei den fortzuführenden Bau- und Beschaffungsmaßnahmen ...