0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist durch das Rentenreformgesetz 1992 v. 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261) mit Wirkung zum 1.1.1992 in Kraft getreten. Durch das SGB IX v. 19.6.2001 (BGBl. I S. 1046) erfolgte in Abs. 4 eine redaktionelle Änderung zum 1.7.2001. Das RVOrgG v. 9.12.2004 (BGBl. I S. 3242) nahm mit Wirkung zum 1.10.2005 in Abs. 6 eine weitere Änderung vor. Durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) v. 20.4.2007 (BGBl. I S. 554) ist Abs. 3 mit Wirkung zum 1.1.2008 bezüglich der Regelaltersgrenze und der Altersgrenze für die große Witwen-/Witwerrente angepasst worden. Abs. 3 Satz 2 wurde redaktionell geändert durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 19.12.2007 (BGBl. I S. 3024) mit Wirkung zum 1.3.2008. Durch das Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung der Prävention und Rehabilitation v. 8.12.2016 (BGBl. I S. 2838) ist Abs. 4 mit Wirkung zum 14.12.2016 neu gefasst worden.
1 Allgemeines
Rz. 1a
Die Vorschrift übernimmt das Antragsprinzip, das bereits früher der Feststellung der Rente vorausging (§ 204 AVG). Die Ausnahmen sind besonders gesetzlich geregelt. Daneben enthält die Vorschrift eine Antragsfiktion bei Hinterbliebenenrenten sowie Bestimmungen zur Hinweispflicht des Rentenversicherungsträgers. § 115 wiederholt den in § 19 Satz 1 SGB IV für alle Zweige der Sozialversicherung festgelegten Grundsatz der Leistungsgewährung auf Antrag.
2 Rechtspraxis
2.1 Antragsprinzip
Rz. 2
Die Vorschrift bestimmt in Abs. 1 Satz 1, dass das Leistungsverfahren nicht von Amts wegen, sondern grundsätzlich auf Antrag des Versicherten beginnt. Das grundsätzliche Erfordernis der Antragstellung beruht auf der Erwägung, dass der Versicherungsträger von sich aus in aller Regel den Eintritt eines Versicherungsfalles nicht zu erkennen vermag. Hierfür ist die Mitwirkung des Anspruchsberechtigten erforderlich. Ausdrücklich wird dies auch in § 19 Satz 1 SGB IV bestimmt, nach dem Leistungen in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung auf Antrag erbracht werden, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt. Insoweit enthalten die Regelungen in § 115 Abs. 1 Satz 1 und § 19 SGB IV Sonderbestimmungen für das Rentenrecht. Das bedeutet gleichzeitig, dass der Rentenversicherungsträger – von den gesetzlich geregelten Ausnahmetatbeständen abgesehen – ohne Antrag nicht tätig werden kann. Der Antrag ist damit grundsätzlich Voraussetzung für die Einleitung des Verfahrens. Der Anspruch auf Rente entsteht als Stammrecht unabhängig vom Leistungsantrag (BSGE 61 S. 108). Er hat allerdings auch materiell-rechtliche Bedeutung, d. h., er ist Voraussetzung für die Entstehung des materiell-rechtlichen Anspruchs dann, wenn es dem Willen des Versicherten anheim gestellt ist, den Versicherungsfall auszulösen (z. B. §§ 36, 37). Gleichzeitig bewirkt der Antrag in materieller Hinsicht, ab wann die Leistung beginnt (vgl. § 99).
Andererseits besteht nach dem SGB keine Verpflichtung zur Rentenantragstellung. Jedoch kann sich eine Obliegenheit zur Antragstellung etwa gemäß § 51 SGB V aufgrund einer entsprechenden Aufforderung seitens des Krankenversicherungsträgers ergeben. Es besteht allerdings auch im Falle des § 51 SGB V rechtlich keine Verpflichtung zur Antragstellung, denn der Versicherte kann der Aufforderung des Krankenversicherungsträgers nicht entsprechen. In der Praxis wird aus der Obliegenheit jedoch eine Verpflichtung werden, da der Versicherte sich den Konsequenzen einer Weigerung nicht stellen wird (z. B. Einstellung der Krankengeldzahlung).
Neben den Berechtigten können auch in genau bestimmten Ausnahmen Behörden einen Antrag stellen. Ein eigenständiges Recht auf eine Antragstellung haben die Träger der Sozialhilfe (§ 95 SGB XII), der Grundsicherung (§ 5 SGB II) und der Kriegsopferfürsorge (§ 27 BVG).
§ 115 Abs. 1 ist aber auch im Zusammenhang mit § 17 SGB I zu sehen. Daraus ergibt sich die Verpflichtung des Versicherungsträgers, darauf hinzuwirken, dass unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden. Diese Verpflichtung des Leistungsträgers besteht aber nur, soweit er aus den Gesamtumständen Kenntnis davon hat, dass ein Leistungsanspruch bestehen kann.
Rz. 3
Für die Stellung des Antrags ist eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben, insbesondere ist nicht die Benutzung der von den Versicherungsträgern erstellten Vordrucke notwendig, wenngleich dies zur Vollständigkeit der Angaben auch dienlich erscheint. Der Antrag kann auch mündlich oder etwa per E-Mail gestellt werden. Erforderlich ist jedoch, dass der Versicherte erkennbar zum Ausdruck bringt, eine Leistung zu beanspruchen bzw. von seinem Antragsrecht Gebrauch zu machen. Bei Unklarheiten ist der Rentenversicherungsträger gemäß § 16 Abs. 3 SGB I verpflichtet, diese durch Rückfragen zu beseitigen. Aus ...