Rz. 4
Soweit das "alte" Hinterbliebenenrecht Anwendung findet, müssen für die Gewährung der Witwerrente die weiteren Voraussetzungen gemäß Satz 1 erfüllt sein. Dies ist der Fall, wenn die verstorbene Ehefrau überwiegend den Familienunterhalt im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode getragen hatte. Grundsätzlich bezieht sich der letzte wirtschaftliche Dauerzustand auf ein Jahr, im Regelfall das Jahr vor dem Tod des Versicherten (BSG, Urteil v. 16.3.2006, B 4 RA 15/05 R). Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Komm. zu § 243 verwiesen.
Rz. 5
Zur Ermittlung des Unterhalts ist zuerst das Familiengesamteinkommen zu bestimmen. Das setzt begrifflich voraus, dass die Ehegatten in Familiengemeinschaft, also in häuslicher und wirtschaftlicher Gemeinschaft, gelebt haben. Bei einem fortdauernden, endgültigen Getrenntleben liegt hingegen keine eheliche Gemeinschaft mehr vor, sodass ein Familienunterhalt nicht mehr besteht. Denn dieser umfasst die Bestreitung des gemeinsamen Bedarfs der einzelnen Familienmitglieder (BSG, Urteil v. 18.2.2010, B 4 AS 49/09 R). Zum Familiengesamteinkommen zählen sämtliche Leistungen, die in dem letzten wirtschaftlichen Dauerzustand dem Familienunterhalt zugeflossen sind. Die Leistungen für den Familienunterhalt können sich aus Barbezügen und Dienstleistungen zusammensetzen. Dabei ist es unbeachtlich, wer die Leistungen für den Familienunterhalt beigesteuert hat. Leistungen dritter Personen oder Stellen sind daher ebenfalls zu erfassen. Zu den Geldeinkünften gehören insbesondere Bezüge aus Dienst- oder Arbeitsverhältnissen, Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit, aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb sowie Kapital, Einkünfte aus Lohnersatzleistungen (z. B. Kranken- oder Arbeitslosengeld) sowie sonstige Einkünfte. Im Ergebnis sind alle gemäß § 2 EStG relevanten Einkünfte zu berücksichtigen. Als Leistungen Dritter sind z. B. Sozialhilfeleistungen, Kindergeld, Wohngeld etc. zu nennen. Pflegeleistungen stellen hingegen kein Einkommen des Pflegebedürftigen dar, da sie ausschließlich vom Pflegebedürftigen in Anspruch genommen werden können und damit nicht der Familie zur Verfügung stehen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 6.3.2006, L 3 R 132/05, rechtskräftig; die unter B 5a/5 R 40/06 R anhängige Revision ist zurückgenommen worden). Ferner sind auch Dienstleistungen (z. B. Haushaltsführung oder Kindererziehung) zusätzlich zu berücksichtigen.
Rz. 6
Von dem Familiengesamteinkommen ist der von der verstorbenen Ehefrau erbrachte Anteil abzuziehen (z. B. Arbeitseinkommen, Einkommen aus Besitz, Vermögen oder Dienstleistungen). Dabei ist es unbeachtlich, in welchen güterrechtlichen Verhältnissen die Ehegatten gelebt haben. Hingegen kann man von Familienunterhalt nicht bei dauernd Getrenntlebenden sprechen (BSG, Urteil v. 26.8.1987, 11a RA 18/86; auch BSG, Urteil v. 18.2.2010, B 4 AS 49/09 R; zur Begründung vgl. Rz. 5). Jedoch führt nicht jede räumliche Trennung zur Aufhebung der Familiengemeinschaft i. S. v. § 303. Soweit die Trennung aus beruflichen Gründen oder wegen Krankheit etc. erfolgt und beide Eheleute an der Familiengemeinschaft festhalten wollen, scheidet eine Anwendung von § 303 nicht aus.
War der Beitrag der Ehefrau mehr als die Hälfte des Gesamtfamilieneinkommens, so bestand nach § 1266 RVO ein Anspruch auf Witwerrente, ansonsten hatte der Witwer keinen Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau.