Rz. 22
Wurde eine Ehe nach dem 31.12.2001 geschlossen, besteht für den überlebenden Ehegatten der Anspruch auf eine Witwen- bzw. Witwerrente vom Grundsatz her nur dann, wenn neben den übrigen Anspruchsvoraussetzungen (Tod, gültige Ehe, allgemeine Wartezeit) die Ehe mindestens ein Jahr angedauert hat. Bei kürzerer Ehedauer wird zunächst gesetzlich im Sinne einer widerlegbaren Vermutung unterstellt, dass die Ehe nur geschlossen wurde, um dem überlebenden Ehegatten eine Versorgung auf der Grundlage einer Rente nach § 46 zu sichern (BT-Drs. 14/4595 S. 44). Damit ist das Hinterbliebenenrecht der gesetzlichen Rentenversicherung für Ehen ab 1.1.2002 den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 65 Abs. 6 SGB VII), der Kriegsopferversorgung (§ 38 Abs. 2 BVG) und der Beamtenversorgung (§ 19 Abs. 1 BeamtVG) angepasst worden, so dass die zu diesen Bestimmungen ergangene Rechtsprechung auch für die Auslegung des § 46 Abs. 2a herangezogen werden kann. Waren die Ehegatten mehrfach miteinander verheiratet, ist für die Berechnung der Dauer der Ehe nach dem Wortlaut des Gesetzes ("wenn die Ehe …") allein die letzte Ehe maßgeblich. Eine Zusammenrechnung der einzelnen Ehezeiten kommt nicht in Betracht. Die für die Bestimmung der Versorgungsehe maßgebliche Jahresfrist ist nach § 26 SGB X i. V. m. § 187 Abs. 2 und § 188 Abs. 2 BGB zu berechnen. Die Jahresfrist beginnt mit dem Tag der Eheschließung und endet mit Ablauf des Tages des nächsten Kalenderjahres, der dem Tag der Eheschließung vorangeht.
Die Rechtsfolge des Ausschlusses des Anspruchs auf Witwen- bzw. Witwerrente tritt jedoch dann nicht ein, wenn besondere Umstände vorliegen, die trotz der kurzen Ehedauer nicht die Annahme rechtfertigen, dass es der alleinige oder zumindest überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu begründen (Abs. 2 HS 2). Der unbestimmte Rechtsbegriff der besonderen Umstände i. S. der vorgenannten Bestimmung unterliegt der vollen richterlichen Kontrolle (BSGE 60 S. 204). Als besondere Umstände sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht abweichenden Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Da der Wortlaut des Gesetzes "auf den alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat" abhebt, reicht es aus, wenn die von der Versorgungsabsicht abweichenden Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder ihm zumindest gleichwertig sind (BSGE 35 S. 272; vgl. insbesondere BSG, Urteil v. 5.5.2009, B 13 R 55/08 R). Dem Rentenanspruch steht also nicht entgegen, wenn die Ehe zwar einerseits auch deshalb geschlossen wurde, um im Todesfall eines Ehepartners die Versorgung des anderen durch die Hinterbliebenenrente zu gewährleisten, der Heiratsentschluss jedoch im Sinne einer wesentlich mitwirkenden Bedingung zumindest gleichwertig auch von hiervon abweichenden Motiven getragen wurde. Dabei kommt es auf die Beweggründe (Motive) beider Ehegatten an, die auch voneinander abweichen können. Folglich sind die von der Versorgungsabsicht abweichenden Beweggründe in ihrer Gesamtheit auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn für einen Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (BSG, Urteil v. 5.5.2009, B 13 R 55/08 R). Die von der Versorgungsabsicht abweichenden Beweggründe müssen im Rahmen der Amtsermittlungen der Rentenversicherungsträger bzw. der Tatsachengerichte nachgewiesen werden. Beweislastträger ist der Hinterbliebene.
Die gesetzestechnische Ausgestaltung des § 46 Abs. 2a verfolgt allerdings den Zweck, die Rechtsanwender von einer Ausforschung der ehelichen Intimsphäre zu entheben (BVerfGE 34 S. 149; BSGE 60 S. 204; BSG, Urteil v. 5.5.2009 B 13 R 55/08 R; Kamprad, in: Hauck/Noftz, SGB VI, § 46 Rz. 38). Der Hinterbliebene soll nicht gezwungen werden, seine innersten, allerpersönlichsten Gründe für die Eheschließung oder die des verstorbenen Ehegatten zu offenbaren, sondern kann sich auf die Darlegung äußerer Umstände beschränken, die nach seiner Ansicht gegen die Versorgungsabsicht sprechen. Es bleibt ihm auch unbenommen, Auskünfte über den Zweck der Heirat zu verweigern. Die Frage, ob besondere Umstände vorliegen, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprechen, ist daher vorrangig anhand aller vorhandenen objektiven Ermittlungsmöglichkeiten zu beantworten (BSGE 60 S. 204). Der Hinterbliebene hat aber auch die Möglichkeit, alle höchstpersönlichen Motive zu benennen, die für ihn und/oder den verstorbenen Versicherten Anlass für die Heirat waren. Auch diese Gründe sind von den Rechtsanwendern – soweit sie glaubhaft sind – in die abschließende Beweiswürdigung mit einzubeziehen. Dabei sind die geltend gemachten inneren Umstände für die Heirat nicht isoliert, sondern vor dem Hintergrund der äußeren Umstände der Eheschließung zu würdigen (BSG, Urteil v. 5.5.2009, B 13 R 55/08 R).
Objektive Gründe, die im Sinne einer typischen Fallgestaltung von vornherein gegen eine Vers...