Rz. 52
Nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 sind Anrechnungszeiten auch Zeiten, in denen Versicherte eine Rente bezogen haben, soweit diese Zeiten auch als Zurechnungszeit in der Rente berücksichtigt worden sind; das Gleiche gilt für die vor dem Rentenbeginn liegende Zurechnungszeit. Durch diesen Anrechnungszeitentatbestand sollen bei Berechnung von Folgerenten versicherungsrechtliche Lücken geschlossen werden, die aufgrund des vorzeitigen Bezugs einer Erwerbsminderungsrente oder einer Erziehungsrente entstanden sind. Neben der eigentlichen Rentenbezugszeit, die parallel zu einer anrechenbaren Zurechnungszeit verläuft, ist auch die vor dem Rentenbeginn liegende Zurechnungszeit als Anrechnungszeit anzuerkennen.
Eine Zurechnungszeit kann in folgenden Fällen vor dem Beginn einer Erwerbsminderungsrente/Erziehungsrente liegen:
- bei verspäteter Antragstellung (§ 99 Abs. 1 Satz 2),
- bei Bewilligung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder Teilhabe am Arbeitsleben vor dem Beginn einer Erwerbsminderungsrente,
- bei Bewilligung von Renten auf Zeit (§ 101 Abs. 1, § 102 Abs. 2).
Der am 3.10.1955 geborene Versicherte A hat ab 1.8.2021 einen Anspruch auf Regelaltersrente (§ 235) als Vollrente wegen Alters und weist folgenden vollständigen Versicherungsverlauf nach:
1.4.1963 – 31.7.1972 |
Schulausbildung |
1.8.1972 - 31.1.2004 |
versicherte Beschäftigung |
15.2.2005 |
Eintritt von voller Erwerbsminderung auf Zeit |
1.9.2005 – 31.8.2008 |
Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI, bei der die Zeit vom 15.2.2005 bis zum 2.10.2015 als Zurechnungszeit (§ 59 Abs. 1 und 2 SGB VI i. d. F. bis 30.6.2014) berücksichtigt worden ist |
1.9.2008 – 31.7.2021 |
versicherte Beschäftigung |
Lösung:
Bei Berechnung der ab 1.8.2021 zu leistenden Regelaltersrente sind Anrechnungszeiten nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 wie folgt zu berücksichtigen:
15.2.2005 – 31.8.2005 = 7 KM Zurechnungszeit vor Rentenbeginn
1.9.2005 – 31.8.2008 = 36 KM Rentenbezug mit Zurechnungszeit
insgesamt 43 KM
Die Anerkennung einer Rentenbezugszeit als Anrechnungszeit nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 setzt nicht die laufende Zahlung der Rente voraus, sodass auch Zeiten, in denen eine Erwerbsminderungsrente oder Erziehungsrente wegen Zusammentreffens mit anderen Renten (z. B. Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung) oder mit Einkommen (z. B. Hinzuverdienst i. S. v. § 96a SGB VI) vollständig nicht zur Auszahlung gelangt ist, als Anrechnungszeiten wegen Rentenbezugs zu berücksichtigen sind.
Bei der Rentenberechnung werden beitragsfreie Anrechnungszeiten i. S. v. Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 mit dem vollen Gesamtleistungswert für beitragsfreie Zeiten bewertet (§ 71 Abs. 1). Soweit während einer Rentenbezugszeit auch Beitragszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt worden sind (z. B. bei teilweiser Erwerbsminderung), liegt eine beitragsgeminderte Zeit i. S. v. § 54 Abs. 3 Satz 1 vor, für die ggf. Zuschläge an Entgeltpunkten gemäß § 71 Abs. 2 zu ermitteln sind.
Bei einem Rentenbeginn vor dem 1.1.1992 konnte eine Zurechnungszeit bei Berechnung von Erwerbsminderungsrenten und Erziehungsrenten nur berücksichtigt werden, wenn eine von 3 alternativen Anrechnungsvoraussetzungen erfüllt war (= Nachweis der sog. Halbbelegung, der verkürzten Halbbelegung oder Nachweis von 36 Kalendermonaten mit Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt des Leistungsfalles). Diese Anrechnungsvoraussetzungen sind durch das Inkrafttreten des SGB VI mit Wirkung zum 1.1.1992 entfallen. Soweit Versicherte wegen fehlender Anrechnungsvoraussetzungen eine Erwerbsminderungsrente oder eine Erziehungsrente ohne Berücksichtigung einer Zurechnungszeit bezogen haben, ist Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 nicht einschlägig; es könnte aber eine Anrechnungszeit gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 zu berücksichtigen sein (vgl. Komm. zu § 252 Abs. 1 Nr. 4).
Für die Anerkennung von Rentenbezugszeiten nach dem 8.5.1945 im Beitrittsgebiet als Anrechnungszeit wird im Übrigen auf die Kommentierung zu § 252 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 verwiesen.