Rz. 7
Soweit Versicherte mehrere Versichertenrentenansprüche haben (z. B. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 neben einem Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2), ist zunächst jede Rente unter Berücksichtigung der jeweils anzurechnenden Zurechnungszeit sowie bei Beachtung etwaiger Anrechnungsvorschriften (z. B. §§ 93, 96a) zu berechnen. Gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 ist in diesen Fällen allerdings nur die höhere Rente zu leisten. Bei gleich hohen Renten ist die Rente zu leisten, die sich aus der in § 89 Abs. 1 Satz 2 vorgeschriebene Rangfolge ergibt.
Hat ein Rentenberechtigter dagegen sowohl Anspruch auf eine Versichertenrente, die unter Berücksichtigung einer Zurechnungszeit zu berechnen ist als auch auf eine Hinterbliebenenrente, in deren Berechnung eine Zurechnungszeit enthalten ist, sind beide Renten unter Berücksichtigung der jeweiligen Zurechnungszeit zu leisten. Nach dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht (§ 1280 Abs. 1 RVO, § 57 Abs. 1 AVG, § 77 Abs. 1 RKG) wurde beim Zusammentreffen einer Versichertenrente mit einer Witwen-/Witwerrente von 2 Zurechnungszeiten nur die für den Rentenberechtigten günstigere angerechnet. Das SGB VI enthält abweichend vom bisherigen Recht keine vergleichbare Anrechnungsvorschrift, so dass mit Wirkung zum 1.1.1992 zeitgleich sowohl eine Versichertenrente als auch eine Hinterbliebenenrente unter Berücksichtigung der jeweils nach § 59, § 253a anzurechnenden Zurechnungszeit geleistet werden kann.
2.3.1 Zurechnungszeit bei Folgerenten
Rz. 8
Die in einer Rente wegen Erwerbsminderung oder Erziehungsrente enthaltene Zurechnungszeit ist bei Berechnung von Folgerenten (z. B. Regelaltersrente, Hinterbliebenenrente) gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 als Anrechnungszeit zu berücksichtigen. Dadurch sollen einerseits versicherungsrechtliche Lücken geschlossen werden, die durch den Rentenbezug entstanden sind. Andererseits sollen zusätzlich Zuschläge an Entgeltpunkten für beitragsgeminderte Zeiten (§ 71 Abs. 2) ermittelt werden, wenn ein Versicherter neben einem vorzeitigen Rentenbezug lediglich geringe Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen konnte (z. B. bei Bezug einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 und zeitgleicher Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung). Anrechnungszeit ist dabei die Rentenbezugszeit, die parallel zur Zurechnungszeit liegt sowie die zeitlich vor dem Rentenbeginn liegende Zurechnungszeit.
Soweit es sich bei der Folgerente ebenfalls um eine Rente wegen Erwerbsminderung, Erziehungsrente oder Hinterbliebenenrente handelt, ist für die Folgerente ggf. neben einer Anrechnungszeit wegen Rentenbezugs gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 5 eine Zurechnungszeit (§ 59, § 253a) unter Berücksichtigung des Zeitpunkts des aktuellen Leistungsfalls zu berücksichtigen.
Geburtstag des Versicherten |
3.7.1957 |
Eintritt von voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2) |
31.5.2010 |
Rentenbeginn (§ 99 Abs. 1 Satz 2) Rentenwegfall |
1.12.2010 30.11.2015 |
Bei Berechnung der Rente war eine Zurechnungszeit vom 31.5.2010 bis zum 2.7.2017 anzurechnen (§ 59 i. d. F. bis 30.6.2014) Todestag des Versicherten |
18.3.2020 |
Beginn der großen Witwenrente (§ 46 Abs. 2) |
1.4.2020 |
Ergebnis :
Bei Berechnung der großen Witwenrente (§ 46 Abs. 2) ist gemäß Abs. 1 i. d. F. ab 1.1.2019 eine Zurechnungszeit zu berücksichtigen, weil der am 3.7.1957 geborene Versicherte vor Vollendung seines 67. Lebensjahres (Vollendung des 67. Lebensjahres = 2.7.2024; § 26 SGB X, § 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2 BGB) gestorben ist. Die Zurechnungszeit beginnt gemäß Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 mit dem Todestag des Versicherten am 18.3.2020. Das Ende der Zurechnungszeit ist nach § 253a Abs. 3 (i. d. F. ab 1.1.2019) zu bestimmen, weil der Versicherte vor dem 1.1.2031 gestorben ist. Bei Tod eines Versicherten im Jahre 2020 endet danach die Zurechnungszeit mit dem Zeitpunkt, der sich ergibt, wenn der Vollendung des 65. Lebensjahres des verstorbenen Versicherten weitere 9 Monate hinzugerechnet werden. Die Vollendung des 65. Lebensjahres + 9 Monate ist für den am 3.7.1957 geborenen Versicherten auf den 2.4.2023 zu datieren (§ 26 SGB X, § 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2 BGB). Bei Berechnung der großen Witwenrente ist damit die Zeit vom 18.3.2020 bis zum 2.4.2023 (= 38 KM) als Zurechnungszeit gemäß Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 253a Abs. 3 (jeweils i. d. F. ab 1.1.2019) anzurechnen.
Darüber hinaus ist die Zeit des Bezuges der Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 als Anrechnungszeit zu berücksichtigen, soweit diese Zeiten bei Berechnung der Erwerbsminderungsrente auch als Zurechnungszeit anzurechnen war. Das Gleiche gilt für die zeitlich vor dem damaligen Rentenbeginn liegende Zurechnungszeit. Bezogen auf das vorliegende Fallbeispiel ist damit die Zeit vom 31.5.2010 bis zum 30.11.2015 (= 67 KM) als Anrechnungszeit wegen Rentenbezugs gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 anzuerkennen.
Soweit eine Rente wegen Erwerbsminderung bis zum Zeitpunkt des Todes einer versicherten Person bezogen worden ist, find...