2.1 Voraussetzungen
Rz. 3
Die Vorschrift enthält die Ermächtigung für einen Bescheid über die Rückforderung von Urkunden und Sachen, die aufgrund eines VA ausgestellt oder überlassen wurden. Vorausgesetzt wird daher, dass der zugrunde liegende VA wegen Nichtigkeit, durch Rücknahme oder Widerruf oder in sonstiger Weise seine Wirksamkeit verloren hat und auch die damit zusammenhängend erteilten Urkunden oder überlassenen Sachen nur noch den Rechtsschein für solche Rechte oder deren Ausübung bilden, die dem Betroffenen nicht (mehr) zustehen. Für Rücknahme und Widerruf eines VA wird zudem vorausgesetzt, dass dieser VA unanfechtbar sein muss. Bei anderen Fällen des Nichteintritts der Wirksamkeit, wie z. B. nicht erfolgter Bekanntgabe, Verlust der Wirksamkeit durch Fristablauf, Bedingungseintritt, Verzicht oder Erledigung aus anderen Gründen (vgl. Komm. zu § 39), ist die Unanfechtbarkeit weder möglich noch erforderlich.
Rz. 4
Die Voraussetzung der Unanfechtbarkeit kann dadurch ersetzt werden, dass die sofortige Vollziehung des VA über die Rückforderung angeordnet wird (vgl. § 86a Abs. 1 Nr. 5 SGG), weil daran ein öffentliches Interesse, z. B. die Vermeidung von Missbrauch, besteht (vgl. Pickel, WzS 1985 S. 360). Allein die fehlende aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen (z. B. nach § 86a Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGG) steht jedoch der Unanfechtbarkeit nicht gleich.
Rz. 5
Seinem Wortlaut nach betrifft die Regelung nur Urkunden und Sachen, die (aus sich selbst heraus) zum Nachweis von Rechten aus einem VA oder zu deren Ausübung bestimmt und geeignet sind (z. B. Ausweise, Staatsangehörigkeitsurkunden). Mit der Funktion des Nachweises von Rechten oder deren Ausübung ist die Verwendung der Urkunden oder Sachen gegenüber Dritten gemeint, wie der Ausweis als schwerbehinderter Mensch für die gegenüber dem Arbeitgeber bestehenden Rechte (vgl. jedoch § 69 Abs. 5 SGB IX, der eigenständig die Einziehung des Ausweises regelt). Die Ausstellung von Urkunden oder die Übergabe von Sachen muss in Folge eines VA erfolgt sein. Dass der VA gerade auf Erteilung der Urkunde oder Überlassung der Sache gerichtet ist, ist aber nicht erforderlich. Der unwirksam gewordene VA kann dann zu den rückforderbaren Urkunden gehören, wenn darin noch eine bestimmte Rechtsposition verlautbart wird. Der Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein gemäß § 45 SGB III ist keine aufgrund eines VA erteilte Urkunde, die zum Nachweis der Rechte aus einem VA bestimmt ist, er ist vielmehr selbst der VA (Sächs. LSG, Urteil v. 3.11.2016, L 3 AL 111/14).
Rz. 6
Die allgemeine Befugnis der Behörde zur Rückforderung von Urkunden oder Sachen durch VA ist für die Fälle der Erteilung ohne VA nicht ausdrücklich geregelt. Gerade im Krankenversicherungsrecht, in dem regelnde oder feststellende Bescheide zumeist nicht vorliegen, weil Mitgliedschaft (§ 5 SGB V) oder Familienversicherung (§ 10 SGB V) kraft Gesetzes bestehen und Leistungsansprüche auslösen, besteht jedoch die Notwendigkeit, bei Ende der Mitgliedschaft die Krankenversicherungskarte mittels VA zurückfordern und insbesondere im Vollstreckungswege einziehen zu können, wenn sie nicht freiwillig (§ 291 Abs. 4 SGB V) zurückgegeben wird. Auch bei Befreiungsnachweisen nach §§ 61, 62 SGB V oder leihweise überlassenen Hilfsmitteln (§ 33 Abs. 5 SGB V z. B. Rollstühle und andere technische Hilfsmittel) besteht in den Fällen der nicht freiwilligen Rückgabe Bedarf zur Rückforderung durch VA. In diesen Fällen ist § 51 entsprechend anwendbar. Würde man die Anwendung des § 51 in diesen Fällen ausschließen (so Steinwedel, in: KassKomm, § 50 Rz. 26, § 51 Rz. 3), müsste man wohl die Notwendigkeit und Zulässigkeit einer reinen Leistungsklage auf Herausgabe bejahen.
2.2 Herausgabegegenstand und Herausgabeverpflichteter
Rz. 7
Die Verpflichtung zur Herausgabe betrifft die Urkunden oder Sachen, die zum Nachweis der Rechte oder deren Ausübung überlassen wurden. Nicht erforderlich ist, dass Urkunden konstitutive Bedeutung zukommt. Dies sind z. B. der Ausweis als schwerbehinderter Mensch oder ähnliche gegenüber Dritten wirkende Urkunden, die Krankenversichertenkarte oder eine vorübergehend überlassene Sache im Rahmen des Sachleistungsanspruchs, da diese nicht über § 50 Abs. 1 rückforderbar ist. Nach dem Wortlaut des § 51 müssen die Urkunden oder Sachen von der Behörde ausgehändigt worden sein, so dass zweifelhaft sein könnte, ob die Herausgabepflicht auch solche Gegenstände umfasst, die der Betroffene sich selbst beschafft hat. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift, die einer Missbrauchsgefahr entgegenwirken will, ist jedoch eine weite Auslegung geboten, so dass hierauf ein Herausgabeanspruch auf alle Urkunden und Sachen gestützt werden kann, die wegen eines behördlichen Stempels oder eines ähnlichen Vermerks zum Nachweis geeignet sind. Sie müssen zumindest zur Ungültigmachung vorgelegt werden und sind damit ebenfalls Gegenstand des Herausgabeanspruchs (vgl. auch Pickel, WzS 1985 S. 360).
Rz. 8
Grundsätzlich trifft die Herausgabepflicht den Inhaber, d. h. denjenigen, auf den die Urkunde ausgestellt, dem die Sache überlassen wurd...