Rz. 8
Die Abgrenzung vom privatrechtlichen Vertrag ist deshalb erforderlich, weil die Verwaltung in besonderem Maße an Recht und Gesetz gebunden ist. Auch für den Rechtsweg ist die Abgrenzung von Bedeutung. Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen gehören vor die Verwaltungs- oder Sozialgerichte (§ 40 Abs. 1 VwGO und bei sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten § 51 SGG). Die Abgrenzung richtet sich nach dem Gegenstand der vertraglichen Regelung, wobei auch der mit der Vereinbarung erstrebte Zweck berücksichtigt werden kann (GemSOGB, NJW 1986 S. 2359 m. w. N.). Nach den Grundsätzen der modifizierten Subjektstheorie liegt ein öffentlich-rechtlicher Vertrag vor, wenn durch ihn Rechte oder Pflichten begründet, aufgehoben, verändert oder festgestellt werden, die nur einem Träger öffentlicher Gewalt (Hoheitsträger) zukommen können. Ein Sozialleistungsträger muss durch den öffentlich-rechtlichen Vertrag berechtigt oder verpflichtet sein.
Nicht als öffentlich-rechtlich zu beurteilen sind Verträge, die öffentlich-rechtliche Körperschaften oder Behörden im Rahmen ihrer Teilnahme am allgemeinen Privatrechtsverkehr schließen. Dazu gehören insbesondere Miet-, Kauf- oder Arbeitsverträge, auch wenn diese Geschäfte mittelbar der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dienen (z. B. der Kauf von Büromaterial seitens einer Krankenkasse oder der Dienstvertrag mit einem Mitglied des Vorstands).
Bei Mischverträgen, die neben öffentlich-rechtlichen auch zivilrechtliche Bestandteile enthalten – was häufig bei Austauschverträgen der Fall ist –, muss unter Anwendung einer einheitlichen Betrachtungsweise von der öffentlich-rechtlichen Natur dieses Vertrags ausgegangen werden (Engelmann, in: v. Wulffen, SGB X, § 53 Rz. 9; Marschner, in: Pickel/Marschner, SGB X, § 53 Rz. 14; a. A. Diering, in: LPK-SGB X, § 53 Rz. 7).
Hinsichtlich der Verträge zwischen gesetzlichen Krankenkassen und privaten Leistungserbringern ist vom GemSOGB (SozR 1500 § 51 Nr. 39) angenommen worden, dass diese privatrechtlicher Natur sind. Aufgrund der Änderung von § 51 Abs. 2 SGG sowie § 69 SGB V ist nunmehr festgelegt, dass diese Verträge dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind und Streitigkeiten aus diesen Verträgen von den Sozialgerichten entschieden werden (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 v. 22.12.1999, BGBl. I S. 2626). Verträge zwischen Privatpersonen können in Ausnahmefällen öffentlich-rechtliche Verträge sein, wenn ein "Beliehener" beteiligt ist (BSG, Urteil v. 8.9.2015, B 1 KR 36/14 R) oder aufgrund einer spezialgesetzlichen Ermächtigung (z. B. § 53 Abs. 2 SGB I, dazu BSGE 70 S. 37).