Rz. 23
Im Falle des Todes des versicherten Spenders, darf aus Gründen der Pietät keine Obduktion zum Nachweis der Todesursache gefordert werden.
Grundsätzlich können sich nämlich aus dem schuldhaften Unterlassen bei der Aufklärung des Sachverhalts Konsequenzen für die Beweiswürdigung ergeben. Die Rechtsprechung kann dieses Verhalten als einen für die Wahrheit des Vorbringens des Prozessgegners sprechenden Umstand berücksichtigen und daraus im Rahmen der freien Beweiswürdigung den Schluss ziehen, dass der Beweis geführt sei (vgl. BSG, Beschluss v. 13.9.2005, B 2 U 365/04, zit. nach juris, m. w. N. der insoweit ständigen Rechtsprechung des BSG). Die Tatsachengerichte sind in einem derartigen Fall berechtigt, im Rahmen der freien Beweiswürdigung an einen Beweis der Tatsachen, auf die sich der Beweis konkret bezieht, weniger hohe Anforderungen zu stellen (so ausdrücklich zu einem Fall der Beweisvereitelung durch Unterlassung einer beantragten Leichenöffnung bei Anspruch nach dem Bundesversorgungsgesetz, BSG, Urteil v. 28.7.1961, 8 RV 145/59, SozR § 128 SGG Nr. 60; für einen entsprechenden Fall aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung: BSG, Urteil v. 29.9.1965, 2 RU 61/60, BSGE 24 S. 25). In einem Einzelfall hat das BSG (vgl. Urteil v. 29.4.1976, 12 RK 66/75, BSGE 41 S. 297) bei einer absichtlichen oder schuldhaften Beweisvereitelung sogar eine Beweislastumkehr angenommen, mit der Folge, dass die Verletzung der Aufzeichnungspflicht des Arbeitgebers prozessual dazu führte, die der Einzugsstelle obliegende Beweisführung zur Versicherungspflicht der Beschäftigten als geführt anzusehen (vgl. BSG, Urteil v. 29.4.1976, 12 RK 66/75, BSGE 41 S. 297, 301). Eine derartige Übertragung der Rechtsprechung des BGH zur Beweislastumkehr nach § 444 ZPO, ist nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 27.5.1997, 2 RU 38/96, SozR 3-1500 § 128 Nr. 11) jedoch grundsätzlich abzulehnen. Zum Einen spielt grundsätzlich das Verschulden weder im Rahmen der Amtsermittlungspflicht der Sozialleistungsträger noch für die geltend gemachten materiell–rechtlichen Ansprüche der Versicherten – in der gesetzlichen Unfallversicherung auch des Arbeitgebers – eine ausschlaggebende Rolle. Zum Anderen bietet auch eine auf Umstände des Einzelfalles gegründete Beweislastumkehr keine sichere Handhabung.
§ 12a Abs. 1 Satz 3 enthält damit im letzten Halbsatz eine Sonderregelung für den Fall, dass die Hinterbliebenen bei der Aufklärung des Sachverhaltes hinsichtlich des Merkmals der Offenkundigkeit nicht mitwirken, indem sie ihren prozessualen Aufklärungspflichten nicht nachkommen. Die Gerichte dürfen den Normzweck der gesetzlichen Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 3 nicht durch Anwendung der Grundsätze freier Beweiswürdigung schmälern. Zu § 63 hat das BSG (Urteil v. 15.2.2005, B 2U 3/04R, BSGE 94 S. 149 = NZS 2006 S. 43) jedoch die Verwertung einer durch das Krankenhaus durchgeführten Obduktion zugunsten des Unfallversicherungsträgers zugelassen. Die Beiziehung stelle eine zulässige Datenerhebung i. S. d. § 67a SGB X dar. Die Nichtbeachtung gesetzlicher Formvorschriften bei der Erteilung der Einwilligung durch Angehörige führe im Regelfall nicht zu einem Verwertungsverbot der (rechtwidrig) erlangten Obduktionsergebnisse.
Rz. 24
Allerdings schließt, wie auch bei § 63 SGB VII, welcher der Regelung in § 12a als Vorbild dient, der Normzweck eine freiwillige Zustimmung zur Obduktion durch die Hinterbliebenen nicht aus (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 63 Anm. 8 ff.; Brandenburg, in: Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, § 12a Rz. 22). Kann der Nachweis der (fehlenden) Offenkundigkeit nur durch eine Obduktion geführt werden, ist ein Antrag der Hinterbliebenen nicht ausgeschlossen. Da die Beweislast für das Merkmal der Offenkundigkeit beim Unfallversicherungsträger liegt, wird in der Praxis eine Anfrage des Unfallversicherungsträgers an die Hinterbliebenen, ob diese eine Obduktion beantragen oder mit einer solchen einverstanden sind, den Hauptanwendungsfall bilden. Fordern dürfen die Unfallversicherungsträger die Obduktion jedoch nach dem klaren Wortlaut und Sinn des Gesetzes nicht.