Rz. 30
Die Ermittlung der ausgleichspflichtigen wirtschaftlichen Nachteile unterliegt der vollen gerichtlichen Nachprüfung (BSG, Urteil v. 4.7.1995, 2 RU 1/94, HVBG-INFO 1995 S. 2410). Der Minderverdienst ist ein Teil der wirtschaftlichen Nachteile. Er wird ermittelt, indem das Nettoentgelt oder das Nettoeinkommen, das der Versicherte nach Aufgabe der Tätigkeit erzielt, verglichen wird mit dem Entgelt bzw. Einkommen, dass er vor der Aufgabe der Tätigkeit zuletzt erzielt hat und künftig weiterhin erzielt hätte (BSG, Urteil v. 23.6.1983, 2 RU 57/82).
Rz. 31
Bei dem Entgelt aus der aufgegebenen gefährdenden Tätigkeit ist grundsätzlich das zuletzt erzielte Nettoentgelt nach Abzug aller gesetzlichen Abgaben zugrunde zu legen. Nach Aufgabe der Tätigkeit eingetretene Veränderungen sind nur dann zu berücksichtigen, wenn sie hinreichend konkretisiert sind und innerhalb des 5-Jahres-Zeitraumes feststehen. Dazu gehören tarifvertragliche oder einzelvertragliche Lohn- oder Gehaltserhöhungen innerhalb dieses Zeitraumes. Ein denkbarer beruflicher Aufstieg ist jedenfalls nicht beim Minderverdienst berücksichtigungsfähig.
Rz. 32
Bei freiwillig versicherten Unternehmern und deren Ehegatten gelten die gleichen Grundsätze. Das Einkommen vor der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit und das voraussichtlich weiterhin erzielte Einkommen sind mit dem Einkommen nach Aufgabe zu vergleichen. Oftmals kann das voraussichtlich ohne Tätigkeitsaufgabe weiterhin erzielte Einkommen nur in der Weise geschätzt werden, dass ein Durchschnittswert aus den Gewinnen der letzten Jahre vor der Aufgabe gebildet wird und ggf. an die Entwicklung in der Branche angepasst wird (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 28.3.1993, L 15 U 7/93; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 23.6.1998, L 5 U 88/97). Falls auch das nicht möglich ist, kann der Lohn in einer vergleichbaren abhängigen Beschäftigung herangezogen werden.
Rz. 33
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass gemäß § 83 SGB VII für kraft Gesetzes versicherte selbständig Tätige, für kraft Satzung versicherte Unternehmer und Ehegatten und für freiwillig Versicherte die Satzung des Unfallversicherungsträgers die Höhe des Jahresarbeitsverdienstes zu bestimmen hat. Sie hat ferner zu bestimmen, dass und unter welchen Voraussetzungen die kraft Gesetzes versicherten selbständig Tätigen und die kraft Satzung versicherten Unternehmer und Ehegatten auf ihren Antrag mit einem höheren Jahresarbeitsverdienst versichert werden. Ein Teil der Kommentarliteratur sieht bei diesem Personenkreis den durch Satzung festgelegten Jahresarbeitsverdienst oder die zum Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe geltende Versicherungssumme als maßgebliche Höchstsumme an (Römer, in: Hauck/Noftz, § 9 SGB VII Anh. § 3 BKV Rz. 62; Mehrtens/Perlebach, § 3 Anm. 5.3 b); Koch, in: Lauterbach, § 9 SGB VII Anh. III Rz. 111; Schulin/Benz, § 47 Rz. 129). Dem wird entgegengehalten, dass damit der Unternehmer besser gestellt werde, der nach Aufgabe der Tätigkeit sich nicht wieder versichere und auch nicht freiwillig versichert sei. Deshalb müsse unabhängig von dem in der Satzung festgelegten Betrag bzw. von der Versicherungssumme die Einkommenssituation vor und nach der Tätigkeitsaufgabe miteinander verglichen werden (Becker, § 9 SGB VII Rz. 439; Kater/Leube, § 9 Rz. 131).
Rz. 34
Zu berücksichtigen sind bei dem Entgelt oder Einkommen vor Tätigkeitsaufgabe als auch am neuen Arbeitsplatz etwaige Sachbezüge oder Mehrarbeitszuschläge. Bei dem Entgelt/Einkommen nach der Aufgabe sind auch Lohnersatzleistungen wie Krankengeld, Verletztengeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld, Grundsicherungsleistungen, Kurzarbeitergeld usw. zu berücksichtigen. Die von einer der Lohnersatzleistungen abgeführten Rentenversicherungsbeiträge können hingegen nicht als Minderverdienst bzw. wirtschaftlicher Nachteil berücksichtigt werden (BSG, Urteil v. 25.2.1993, 2 RU 6/92).