Rz. 10
Der Regressanspruch gegenüber dem Schädiger besteht dann, wenn dieser vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. Dieses Verschulden muss sich nach dem eindeutigen Wortlaut des Abs. 1 Satz 3 nur auf das den Versicherungsfall verursachende Handeln oder Unterlassen beziehen (ganz h. M.: Ricke, in: BeckOGK, SGB VII, § 110 Rz. 21; Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 110 Rz. 17; Lauterbach/Dahm, SGB VII, § 110 Rz. 5; Grüner, in: LPK-SGB VII, § 110 Rz. 18; Hauck/Kranig, SGB VII, § 110 Rz. 13c; Hillmann, in: JurisPK-SGB VII, § 110 Rz. 13 f.). Insoweit besteht ein Unterschied zu § 104 Abs. 1, durch den bei vorsätzlichem Handeln ein bestehendes Haftungsprivileg wieder ausgeschlossen wird. In § 104 muss sich der Vorsatz sowohl auf den Versicherungsfall als auch den Eintritt des Schadens beziehen (vgl. Komm. zu § 104). Durch § 110 Abs. 1 Satz 3 soll insoweit der Rückgriff auf den vorsätzlich oder grob fahrlässig handelnden Schädiger erleichtert werden. Eintritt und Umfang des Schadens müssen vom Vorsatz nicht erfasst sein (so auch die Rechtsprechung des BAG, Urteil v. 10.10.2002, 8 AZR 103/02).
Rz. 11
Die vorsätzliche oder fahrlässige Verursachung des Versicherungsfalles kann jedoch nicht losgelöst von einem Schaden verstanden werden. Vielmehr ist erforderlich, dass dem Schädiger die Möglichkeit eines Schadens überhaupt im Sinne des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit vor Augen gestanden hat; lediglich hinsichtlich des Schadensumfangs ist anders als nach vorherigem Recht kein Verschulden zu fordern. Ob also der Versicherungsfall nur leichte Verletzungen zur Folge hat oder schwerste, was meist von den Umständen abhängt, unter Umständen auch vom Zufall, spielt keine Rolle (Ricke, in: BeckOGK, SGB VII, § 110 Rz. 21; Hauck/Kranig, SGB VII, § 110 Rz. 13c). Der BGH hat seine Auslegung zum alten Recht nach § 640 RVO a. F. nach Inkrafttreten des Abs. 1a zum 1.8.2004 durchaus angepasst und ausgeführt, dass der Anspruch aus § 110 Abs. 1"bereits dann besteht, wenn – wie im Regelfall (vgl. BGHZ 59, 30, 39;75, 328, 329) – sich das Verschulden lediglich auf den die Haftung begründenden Tatbestand bezieht, während es sich auf die konkreten Schadensfolgen nicht beziehen muss" (BGH, Urteil v. 15.7.2008, VI ZR 212/07).
Rz. 12
Führt der Schädiger den Versicherungsfall vorsätzlich herbei, haftet er dem Sozialversicherungsträger für den eingetretenen Schaden. Zugrunde zu legen ist der zivilrechtliche Verschuldensbegriff des § 276 BGB (Grüneberg, BGB, § 276 Rz. 10; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 276 Rz. 15). Demnach ist Vorsatz das Wissen und Wollen des Erfolges im Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit des eigenen Handelns. Direkter Vorsatz (dolus directus) liegt vor, wenn der Erfolg als notwendige Folge eines bestimmten Verhaltens vom Handelnden vorausgesehen und gewollt ist. Ein solcher Vorsatz ist nicht erforderlich, vielmehr reicht bedingter Vorsatz aus (BGH, Urteil v. 15.7.2008, VI ZR 212/07). Bedingter Vorsatz (dolus eventualis) liegt vor, wenn der Handelnde sich den Erfolg als möglich vorgestellt und für den Fall seines Eintritts billigend in Kauf genommen hat. Beim bedingten Vorsatz wird also die als möglich erkannte Folge vom Handlungswillen umfasst und deren Eintritt in Kauf genommen ("was soll’s, mir doch egal"). Der von diesem Vorsatz umfasste Eintritt eines Erfolgs ist mit Blick auf Abs. 1 Satz 3 allein der Eintritt des Versicherungsfalls. Die Rechtsprechung des BGH geht davon aus, dass die hierfür notwendigen Tatsachen vom Wissen und Wollen erfasst sein müssen (Hauck/Kranig, SGB VII, § 110 Rz. 11). Ein Arbeitsunfall liegt nur vor, wenn ein Unfall zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod des Geschädigten führt (§ 8 Abs. 1 Satz 2). Der Vorsatz des Handelnden muss deshalb auch einen irgendwie gearteten, zum Unfall kausalen Gesundheitsschaden umfassen. Eine konkrete Vorstellung einer Verletzung ist jedoch nicht erforderlich. Für Berufskrankheiten gilt Vergleichbares. Auch hier muss eine irgendwie geartete "Erkrankung" gewollt sein, sonst liegt der Tatbestand nach § 9 nicht vor. Mit Blick auf Abs. 1 Satz 3 muss es jedoch ausreichen, dass überhaupt eine gesundheitliche Beeinträchtigung vom Vorsatz erfasst wird.
Rz. 13
Dies gilt auch für die grob fahrlässige Verursachung. Anders als in § 104 für den Ausschluss der Haftungsprivilegierung, reicht für den Regress gegen den Schädiger auch sein grob fahrlässiges Verhalten, das den Versicherungsfall herbeiführt, aus. Fahrlässigkeit ist das Außerachtlassen der im Verkehr üblichen Sorgfalt und wird so über rein objektive Maßstäbe bewertet. Grobe Fahrlässigkeit setzt neben einem objektiv schweren auch einen subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzt worden sein, und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urteil v. 12.1.1988, VI ZR 158/87; BGH, Urteil v. 8.7.1992, VI ZR 223/91; Hauck/Kranig, SGB...