Rz. 103
Ehrenamtliche Tätigkeit setzt neben der Unentgeltlichkeit einen bestimmten qualifizierten Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereich der öffentlich-rechtlichen Körperschaft voraus, innerhalb dessen die ehrenamtliche Tätigkeit für die Körperschaft ausgeübt wird. Es muss sich nicht um ein Daueramt handeln, aber um ein regelmäßig auf längere Zeit angelegtes Ehrenamt (vgl. für alles Bieresborn, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 2 Rz. 219, 134 m. w. N.). Versicherungsschutz nach Nr. 10 besteht nur für Tätigkeiten innerhalb des konkret zugewiesenen Aufgabenkreises. Wenn dieser in Bezug auf eine bestimmte Maßnahme oder einen Einsatz nicht bereits gesetz- oder satzungsmäßig festgelegt ist, bedarf es für die ehrenamtliche Betätigung einer Willensentschließung der juristischen Person des öffentlichen Rechts, um die Versicherung zu begründen. Im Rahmen von Nr. 10 Buchst. a wird derjenige ehrenamtlich tätig, der entweder einen ausdrücklichen (BSG, Urteil v. 24.1.1992, 2 RU 71/90) oder einen stillschweigenden (BSG, Urteil v. 26.10.1983, 9b RU 16/82) Auftrag zum Tätigwerden erhalten hat (vgl. Rz. 105; Bay. LSG, Urteil v. 11.10.2006, L 2 U 136/06). Ein solcher Auftrag erfordert eine erkennbare Bereitschaft der öffentlich-rechtlichen Körperschaft, den Mitarbeitenden einzusetzen. Denn nicht jeder, der mit irgendwelchen Arbeiten befasst ist, die "zugleich" auch einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft dienen, ist in deren Auftrag tätig (zum Wettkampfrichter eines Vereins bei einer von der Kommune geförderten Rodelweltmeisterschaft: Thüringer LSG, Urteil v. 20.11.2014, L 1 U 368/13).
Rz. 104
Das Erfordernis der Unentgeltlichkeit ist der Ehrenamtlichkeit immanent (BSG, Urteil v. 27.4.1972, 2 RU 14/69 zu § 539 RVO; Bieresborn, in: jurisPK-SGB VII, § 2 Rz. 134). Unentgeltlich wird derjenige tätig, der für seine Arbeit keine Vergütung erhält (zur Zulässigkeit von Aufwandsentschädigungen und Auslagenersatz vgl. BSG, Urteil v. 19.8.1975, 8 RU 234/74; BSG, Urteil v. 28.6.2000, B 6 KA 64/98 R).
Rz. 105
In organisatorischer Hinsicht muss der ehrenamtliche Einsatz für einen der in Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a genannten öffentlich-rechtlichen Träger, Verbände oder eine Arbeitsgemeinschaft aus solchen Trägern oder Verbänden (vgl. auch § 94 SGB X) erfolgen. Auch der Einsatz in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen (Nr. 2) sowie in Kindertageseinrichtungen, Schulen und Hochschulen (Nr. 8) ist versichert, wenn sie sich als Einrichtungen eines der in Rz. 102 genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts erweisen. Die Gewährung von Räumlichkeiten oder Zuschüssen, wie sie auch für Vereine angeboten werden, genügt allein noch nicht. Die Einrichtung muss vielmehr in den Aufgaben- und Organisationsbereich des öffentlich-rechtlichen Trägers, seiner Arbeitsgemeinschaften oder Verbände aufgenommen sein (Thüringer LSG, Urteil v. 19.3.2015, L 1 U 1629/12). Die Körperschaft muss die fragliche Betätigung in ihren öffentlich-rechtlichen Aufgabenbereich und damit in ihre Verantwortung übernommen haben. Hierzu bedarf es eines gesamtbezogenen, eigenständigen Annahmeaktes der Körperschaft als Zuordnungsgrund. Fehlt es an einem solchen Zuordnungsgrund, können auch Ehrenämter bei der von den Bürgern einer Gemeinde durchgeführten Brauchtumsveranstaltung nicht als Ehrenämter der Kommune gewertet werden (vgl. BSG, Urteil v. 30.4.1991, 2 RU 68/90; Sächs. LSG, Urteil v. 8.2.2017, L 6 U 92/14).
Rz. 106
Inzwischen sind die ehrenamtlichen Helfer versichert, wenn nicht eine öffentlich-rechtliche Körperschaft oder eine ihrer Behörden eine Maßnahme verantwortet, sondern Aufgaben aus deren Bereich einer privatrechtlichen Organisation, insbesondere einem Verein, zur Wahrnehmung übertragen sind (nach der vor dem 1.1.2005 geltenden Rechtslage hatte z. B. Versicherungsschutz für freiwillige Helfer eines Vereins nicht bestanden: BSG, Urteil v. 10.10.2002, B 2 U 14/02 R). Zwar könnte das Tätigwerden als Mitglied eines Ortsverschönerungsvereins zur Pflege der Streuobstwiesen der Gemeinde versichert sein, das gilt aber nicht, wenn und solange das Mitglied auf einem Privatgrundstück tätig wird (SG Augsburg, Urteil v. 2.12.2013, S 8 U 267/12). Voraussetzung für die Einbeziehung privatrechtlicher Organisationen ist, dass diese die Verantwortung für die Erledigung eigener Aufgaben von einem der genannten Träger übertragen bekommen hat. Ein solcher Übertragungsakt kann entweder in einem Auftrag oder einer ausdrücklichen Einwilligung bestehen. Daneben besteht eine Versicherung kraft Gesetzes auch während der Teilnahme an einer Ausbildungsveranstaltung für eine Tätigkeit nach Nr. 10 Buchst. a. Das sind Veranstaltungen, die von einer der genannten Rechtspersonen angeboten werden, um die ehrenamtlich Tätigen zu schulen oder auf ihr Amt vorzubereiten.
Rz. 107
Auftrag (§ 88 SGB X) ist ein vertragliches Schuldverhältnis zwischen Auftraggeber und Beauftragtem über die Erledigung einer dem Auftraggeber obliegend...