Rz. 37
Nach § 53 Abs. 1 SGB IX soll der Rehabilitationsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für die Zeit gewähren, die vorgeschrieben und allgemein üblich ist. Diese Regelung entspricht dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Abs. 2 hält an der generellen Obergrenze von 2 Jahren bei beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen (Fortbildungen und Umschulungen) fest. Die Erfahrungen in modernen Berufsförderungswerken haben gezeigt, dass bei einer Vollzeitausbildung die Weiterbildungsmaßnahmen in 2 Jahren erfolgreich abgeschlossen werden können. Allerdings sind nach Abs. 2 Satz 2 länger dauernde Maßnahmen möglich aufgrund der Zwei-Drittel-Regelung.
Rz. 38
Die Norm stellt die Bestimmung der Dauer der zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringenden Leistungen in einen unmittelbaren Zusammenhang zur Erreichung des angestrebten Ziels. Darin wird zunächst ein allgemeiner Maßstab formuliert, mit dem auf bestehende Vorschriften bzw. Üblichkeiten abgestellt wird. Mit Blick etwa auf vorgeschriebene Ausbildungszeiten in den anerkannten Lehr- und Ausbildungsberufen ist damit hinreichende Rechtssicherheit gewährleistet.
Rz. 39
Die Ausnahmeregelung in § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB IX betrifft zunächst den Fall der Unterbrechung der Teilnahme an einer Maßnahme etwa in Folge von Krankheit (BSG, SozR 2200 § 1237a Nr. 23). Ein besonderer Umstand i. S. d. Regelung ist allerdings nicht der mit Berufung auf Art. 12 GG vorgetragene Wunsch des Versicherten, eine die regelmäßige Dauer überschreitende Ausbildung absolvieren zu wollen. Dieses Grundrecht schützt den Einzelnen nur vor staatlichen Eingriffen, begründet jedoch keinen Individualanspruch auf Gewährung von besonderen Leistungen (BSG, Urteil v. 18.5.2000, B 11 AL 107/99 R). Dies gilt bei Berücksichtigung des Sparsamkeitsgrundsatzes der Verwaltung auch dann, wenn dem Versicherten nur 2-jährige Umschulungslehrgänge vorgeschlagen werden, die seiner besonderen Eignung und Neigung und dem bisherigen Berufsweg nicht hinreichend Rechnung tragen (BSG, SozR 3-4100 § 56 Nr. 3). Bei der Bewertung der Dauer der Leistungen hat die Verwaltung keinen Ermessensspielraum; vielmehr handelt es sich hierbei um eine Tatsachen- und Rechtsfrage, die gerichtlich voll überprüfbar ist (BSG, SozR 3-2200 § 567 Nr. 2).
Rz. 40
Die in der Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich erfolgte inhaltliche Bezugnahme auf § 101 Abs. 2 Satz 6 SGB III a. F. erlaubt es, bei der Auslegung dieser Ausnahmeregelung an die zu dieser Vorschrift entwickelten Maßstäbe anzuknüpfen, die allein durch die Einführung des SGB IX nicht verändert wurden. Danach kommt als Ausnahme, die eine Verlängerung der Leistungsdauer rechtfertigt, der Fall in Betracht, dass in einer Berufsordnung abweichend von den sonst bestehenden Üblichkeiten eine Verkürzung der Ausbildungsdauer nicht vorgesehen ist (BSG, SozR 3-4100 § 56 Nr. 1 = SGb 1991 S. 143 mit abl. Anm. Boecken). Ob dies auch dann gilt, wenn für den Leistungsberechtigten eine geeignete Weiterbildungsmöglichkeit mit 2-jähriger Dauer zur Verfügung steht, wird von den Fachsenaten des BSG unterschiedlich beurteilt. Während für den Bereich der Rentenversicherung (BSG, Urteil v. 31.1.1980, 11 RA 8/79) und der Unfallversicherung (BSG, Urteil v. 26.11.1987, 2 RU 2/86) der Grundsatz der Sparsamkeit der Verwaltung den äußeren Rahmen der möglichen Maßnahme beschreiben soll, kommt nach der Entscheidung des BSG v. 28.3.1990 (9b/7 RAr 92/88), die den Zuständigkeitsbereich der Bundesagentur für Arbeit betrifft, unter Berücksichtigung der Berufswahlfreiheit gemäß § 12 Abs. 1 GG als tauglicher Maßstab für die Auslegung der Ausnahmevorschrift lediglich der Leistungszweck, nicht jedoch die finanzielle Ausstattung des Leistungsträgers in Betracht. Da über die Dauer von Leistungen künftig nach dem gemeinsamen Maßstab des § 53 SGB IX zu entscheiden sein wird, wird diese Frage in absehbarer Zeit – ggf. nach Anrufung des Großen Senats des BSG – verbindlich geklärt werden, sofern nicht die zeitlich jüngste Entscheidung des 11. Senats des BSG v. 18.5.2000 (B 11 AL 107/99 R) auch für den Zuständigkeitsbereich der Arbeitslosenversicherung bereits eine Abkehr von den Grundsätzen des Urteils v. 28.3.1990 (9b/7 RAr 92/88) darstellt.
Rz. 41
Ein krankheitsbedingt ausfallendes Studiensemester ist kein Studienhalbjahr, das auf die Studiendauer angerechnet werden könnte. Wiederholte Ausfälle von Studienhalbjahren durch Zeiten der Krankheit verpflichten jedoch den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zur Prüfung, ob der Versicherte objektiv überhaupt geeignet ist, das Studium innerhalb eines überschaubaren Zeitraums erfolgreich abzuschließen und damit den Zweck einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erreichen (vgl. dazu die Komm. zu § 53 SGB IX Rz. 2 bis 7).