Rz. 6
Abs. 2 stellt klar, dass der Verstoß gegen Verbote aller Art nicht (jedenfalls nicht ohne Weiteres) zum Leistungsausschluss führt. Gemeint sind sowohl gesetzliche als auch behördliche Verbote, Regelungen in Unfallverhütungsvorschriften und Verbote des Unternehmers. Die Regelung steht im Zusammenhang damit, dass fahrlässiges Verhalten weder ganz noch teilweise zum Verlust des Versicherungsschutzes führt. Eine Anspruchsminderung bei Mitverschulden gibt es nicht.
Beispiele:
Der Versicherte verursacht auf dem Weg zur Arbeitsstätte einen Verkehrsunfall. Er überholt ein Fahrzeug bei Dunkelheit und unübersichtlichem Straßenverlauf und kollidiert mit einem entgegenkommenden PKW. Er wird wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung rechtskräftig verurteilt.
Dieses Verhalten lässt den Versicherungsschutz in der Unfallversicherung jedoch nicht entfallen. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Versicherte den Unfall nicht absichtlich herbeigeführt hat (BSG, Urteil v. 4.6.2002, B 2 U 11/01 R). Das geschilderte Verhalten stellt nach Auffassung des Unfallsenats des BSG (a. a. O.) auch keine selbstgeschaffene Gefahr dar, die den Versicherungsschutz entfallen ließe (anders für die gleichlautende Vorschrift des § 81 Abs. 1 SVG im Soldatenversorgungsrecht: BSG, Urteil v. 16.12.2004, B 9 VS 1/04 R).
- Fahren ohne Fahrerlaubnis und Verstoß gegen sonstige Verkehrsregeln führen nicht zum Ausschluss des Versicherungsschutzes.
Rz. 7
Jedoch können gemäß § 101 Abs. 2 Leistungen ganz oder teilweise versagt oder entzogen werden, wenn der Versicherungsfall bei einer von Versicherten begangenen Handlung eingetreten ist, die nach rechtskräftigem strafgerichtlichen Urteil ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen ist. Zuwiderhandlungen gegen Bergverordnungen oder bergbehördliche Anordnungen gelten nicht als Vergehen i. S. d. Satzes 1. Soweit die Leistung versagt wird, kann sie an unterhaltsberechtigte Ehegatten und Kinder geleistet werden.
Rz. 8
Unter bestimmten Voraussetzungen führt verbotswidriges Verhalten aber doch zur Unterbrechung oder zum Wegfall des Versicherungsschutzes. Fügt der Versicherte sich selbst willentlich oder absichtlich einen Körperschaden zu (z. B. Selbstverstümmelung), stellt dies bereits begrifflich keinen Unfall dar. Es handelt sich dann nicht um ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis. Etwas anderes gilt, wenn der Versicherte die Selbstschädigung aus betrieblichen Gründen billigend in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz). In diesem Fall bleibt der Versicherungsschutz bestehen. Die Selbsttötung, die auf einem inneren Entschluss beruht, stellt schon begrifflich keinen Unfall dar, da es an einem von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis fehlt. Die Selbsttötung kann aber Unfallfolge sein, wenn etwa der Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit ursächlich war für eine psychische Erkrankung, die ihrerseits für die Selbsttötung ursächlich war (vgl. BSG, Urteil v. 24.11.1982, 5a RKnU 3/82).
Rz. 9
Fahrlässiges oder verbotswidriges Verhalten kann ferner dann zur Unterbrechung oder zum Wegfall des Versicherungsschutzes führen, wenn die Handlung nicht (mehr) in einem rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht.
Beispiele:
- Der Unfall ereignet sich bei einer betrieblich veranlassten Fahrt. Der Verunfallte ist jedoch zum Unfallzeitpunkt alkoholbedingt fahruntüchtig (vgl. BSG, Urteil v. 23.9.1997, 2 RU 40/96).
- Der Betreffende hat ein Arbeitsgerät verändert (z. B. eine Schutzeinrichtung entfernt). Hierdurch bedingt kommt es zum Unfall, sog. selbstgeschaffene Gefahr (vgl. BSG, Urteil v. 5.9.2006, B 2 U 24/05 R; BSG, Urteil v. 12.4.2005, B 2 U 11/04 R).
Rz. 10
Gemäß § 101 Abs. 1 haben Personen, die den Tod von Versicherten vorsätzlich herbeigeführt haben, keinen Anspruch auf Leistungen.