Rz. 58
Als Arbeitswege oder Betriebswege oder Dienstwege werden Wege bezeichnet, die in Ausführung der betrieblichen Tätigkeit zurückgelegt werden. Sie gehören unmittelbar zur versicherten Tätigkeit i. S. d. Abs. 1 Satz 1 und sind zu unterscheiden von dem Weg nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit i. S. d. Abs. 2 Nr. 1, der der versicherten Tätigkeit vorausgeht oder sich ihr anschließt (BSG, Urteil v. 7.11.2000, B 2 U 39/99 R). Daher sind die Regelungen zum Wegeunfall nach Abs. 2 und die dazu entwickelten Gesichtspunkte nicht unmittelbar anwendbar. Als Betriebsweg wird ein Weg am Ort des Unternehmens bezeichnet, während die Dienstreise sich vom Ort des Unternehmens wegbewegt (vgl. auch Rz. 45a zum Übermitteln der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an den Arbeitgeber).
Rz. 59
Betriebsweg ist jeder Weg, den der Betreffende im Auftrag des Arbeitgebers oder im wohlverstandenen Interesse des Betriebes zurücklegt. Werden sowohl betriebliche als auch eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt, so sind die Grundsätze zur gemischten Tätigkeit anzuwenden (vgl. Rz. 14).
Rz. 60
Der Betriebsweg kann von der Arbeitsstätte aus oder auch unmittelbar von der Wohnung des Versicherten aus angetreten werden. Ein Betriebsweg kann nur dann von zu Hause angetreten werden, wenn auf konkrete Anordnung des Arbeitgebers unmittelbar mit einer versicherten Tätigkeit begonnen wird (BSG, Urteil v. 27.11.2018, B 2 U 7/17 R). Im letzteren Fall beginnt und endet der Versicherungsschutz ebenso wie beim Weg i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 mit dem Durchschreiten der Haustür (Ausnahme: Arbeitsplatz bzw. das Arbeitszimmer, wo die versicherte Tätigkeit verrichtet wird, befindet sich innerhalb des Wohnhauses – vgl. Rz. 29). Umwege oder Abwege führen ebenso wie bei Wegen nach Abs. 2 zur Unterbrechung des Versicherungsschutzes (vgl. dazu im Einzelnen Rz. 144 f.). Anders als bei einem Weg nach Abs. 2 führt eine mehr als 2-stündige Unterbrechung nicht ohne weiteres zur Lösung vom Versicherungsschutz. Entscheidend ist statt der zeitlichen Grenze, ob der Versicherte anschließend den Betriebsweg fortsetzt oder ob damit die betriebliche Tätigkeit beendet und eine dauerhafte eigenwirtschaftliche Betätigung aufgenommen wird (BSG, Urteil v. 14.12.1967, 2 RU 126/64). Nach deren Ende kann der Betriebsweg – auch nach tagelanger Unterbrechung – wieder fortgesetzt werden (BSG, Urteil v. 29.4.1980, 2 RU 95/79; Urteil v. 28.6.1988, 2 RU 60/87).
Rz. 61
Befinden sich Wohnung und Arbeitsstätte in demselben Gebäude, so müssen besondere Grundsätze beachtet werden. Versicherungsschutz innerhalb von Arbeits- oder Betriebsräumen im Wohnhaus kommt nur dann in Betracht, wenn ein wesentlicher Teil der betrieblichen Tätigkeit dort verrichtet wird (Abs. 1 Satz 3 i. d. F. des Gesetzes zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt – Betriebsrätemodernisierungsgesetz v. 14.6.2021).
Der Versicherungsschutz beginnt mit dem Betreten und endet mit dem Verlassen der betrieblich genutzten Räume (BSG, Urteil v. 7.11.2000, B 2 U 39/99 R). Wegeunfälle kommen nicht in Betracht, da der versicherte Weg i. S. d. Abs. 2 Nr. 1 erst beim Durchschreiten der Haustür beginnt. Um eine ungerechtfertigte Besserstellung derjenigen Versicherten zu vermeiden, die ihren Arbeitsplatz im gleichen Gebäude haben wie die Wohnung, kommt ein Betriebsweg zwischen dem privat genutzten und dem betrieblich genutzten Gebäudeteil grundsätzlich nicht in Betracht (BSG, Urteil v. 29.1.1960, 2 RU 265/56; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 18.10.2005, L 15 U 161/05; BSG, Urteil v. 12.12.2006, B 2 U 1 /06 R). Allerdings ist die Rechtsprechung bei dieser Frage sehr einzelfallorientiert. Versicherungsschutz kann im Einzelfall auf einem Verbindungsweg innerhalb des Hauses, etwa im Treppenhaus, dann doch bestehen, wenn die Treppe in rechtlich wesentlichem Umfang für betriebliche Zwecke genutzt wird. Das kann dann der Fall sein, wenn der Betreffende die Kleidung wechseln muss, um nach Beendigung einer versicherten Tätigkeit unmittelbar anschließend eine andere versicherte Tätigkeit zu verrichten (zur Problematik des Versicherungsschutzes bei Vorbereitungshandlungen vgl. Rz. 114). Die neuere Rechtsprechung des BSG (Urteile v. 31.8.2017, B 2 U 8/17, B 2 U 9/16 R, und Urteil v. 5.7.2016, B 2 U 5/15 R) hat die maßgeblichen Kriterien dahingehend konkretisiert, dass bei der Feststellung eines Arbeitsunfalls im häuslichen Bereich nicht vorrangig die – quantitativ zu bestimmende – Häufigkeit der betrieblichen oder privaten Nutzung des konkreten Unfallorts zu ermitteln ist. Ob ein Weg im unmittelbaren Unternehmensinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, bestimmt sich vielmehr vorrangig nach der objektivierten Handlungstendenz des Versicherten, also danach, ob dieser bei der zum Unfallereignis führenden Verrichtung eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfall...