Absatz 1 regelt im Gegensatz zu Absatz 2 den unmittelbaren Geltungsbereich des TV-V, also dessen zwingende Wirkung für bestimmte Betriebe.
1.2.1 Räumlicher, betrieblicher, fachlicher und persönlicher Geltungsbereich
Räumlich gilt der Tarifvertrag im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, d. h. sowohl im Tarifgebiet West als auch im Tarifgebiet Ost.
Betrieblich gilt der TV-V hauptsächlich für den kommunalen Versorgungsbereich, was zum einen durch die ausdrückliche Erwähnung der Versorgungsbetriebe und deren Definition in Satz 2 sowie zum anderen dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) diesen Tarifvertrag abgeschlossen hat. Fachlich gilt der TV-V für alle Arbeitnehmer, und zwar unabhängig davon, ob deren Tätigkeit vor dem 1. Januar 2005 der Rentenversicherung der Angestellten oder der Rentenversicherung der Arbeiter unterlegen hätte. Der TV-V gilt nicht für Auszubildende (§ 1 Abs. 3 Buchst. b).
Der persönliche Geltungsbereich des Tarifvertrages ist nach Satz 1 von bestimmten Voraussetzungen abhängig und wird darüber hinaus durch Absatz 3 eingeschränkt.
Der Arbeitnehmer muss in einem rechtlich selbständigen Versorgungsbetrieb tätig sein. Dabei wird es sich im Regelfall um eine GmbH oder um eine AG handeln. Der Versorgungsbetrieb muss dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) unterliegen. Es darf sich dabei also nicht um eine Verwaltung oder einen Betrieb im Sinne des § 130 BetrVG handeln, da derartige Einrichtungen als kommunale Einrichtungen unter ein Landespersonalvertretungsgesetz fallen.
Der Versorgungsbetrieb muss darüber hinaus in der Regel mehr als 20 zum Betriebsrat wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigen. Diese Voraussetzung knüpft an § 9 Satz 1 BetrVG an, wonach in Betrieben ab dieser Größenordnung der Betriebsrat aus mindestens 3 Mitgliedern besteht, also ein mehrköpfiger Betriebsrat zu bilden ist. Die Tarifvertragsparteien wollten damit zum einen erreichen, dass keine Kleinbetriebe zwingend unter den Geltungsbereich des TV-V fallen, da dieser – jedenfalls im Zeitpunkt der Überleitung vom BAT bzw. BMT-G II auf den TV-V – Personalkostensteigerungen mit sich gebracht hat, die kleine Betriebe nicht ohne weiteres verkraften können. Zum anderen ist für diese Regelung die Überlegung maßgebend, dass der TV-V an vielen Stellen betriebliche Handlungsspielräume eröffnet und Raum für ergänzende Betriebsvereinbarungen lässt, die aus gewerkschaftlicher Sicht den Interessen der Arbeitnehmer eher Rechnung tragen, wenn dem Arbeitgeber ein mehrköpfiger Betriebsrat und nicht lediglich eine einzelne Person gegenübersteht.
Nicht zuletzt muss der Versorgungsbetrieb einem Mitgliedverband der VKA angehören, also Mitglied in einem der nachfolgend genannten Verbände sein:
Kommunaler Arbeitgeberverband Baden-Württemberg
Kommunaler Arbeitgeberverband Bayern
Kommunaler Arbeitgeberverband Berlin
Kommunaler Arbeitgeberverband Brandenburg
Kommunaler Arbeitgeberverband Bremen
Kommunaler Arbeitgeberverband Hessen
Kommunaler Arbeitgeberverband Mecklenburg-Vorpommern
Kommunaler Arbeitgeberverband Niedersachsen
Kommunaler Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen
Kommunaler Arbeitgeberverband Rheinland-Pfalz
Kommunaler Arbeitgeberverband Saar
Kommunaler Arbeitgeberverband Sachsen
Kommunaler Arbeitgeberverband Sachsen-Anhalt
Kommunaler Arbeitgeberverband Schleswig-Holstein
Kommunaler Arbeitgeberverband Thüringen
Für Versorgungsbetriebe, die der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg angehören, gilt der TV-V nicht (§ 1 Abs. 4).
1.2.2 Rechtlich selbstständige Versorgungsbetriebe
Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff "rechtlich selbständiger Versorgungsbetrieb" definiert. Anhaltspunkt hierfür war bei den Tarifverhandlungen die Begriffsbestimmung der SR 2t BAT. Dort sind Versorgungsbetriebe als "Gas-, Wasser-, Elektrizitäts- und Fernheizwerke" definiert. Da diese Begriffe zumindest teilweise den heutigen Verhältnissen nicht mehr gerecht werden, sind die Sparten Energieversorgung und Wasserversorgung aufgeführt, die nicht nur gemeinsam, sondern auch jede für sich allein ausreichen, um den Begriff eines Versorgungsbetriebes zu erfüllen.
Aufgrund der Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts (Stichwort "Unbundling") sind in den vergangenen Jahren zunehmend sog. Netz- und Netzservicegesellschaften gegründet worden. Deshalb haben die Gewerkschaften im Vorfeld der Tarifrunde 2010 die Forderung erhoben, derartige Gesellschaften in den Geltungsbereich des TV-V einzubeziehen. Nach dem Einigungspapier vom 27. Februar 2010 zum Abschluss der Tarifrunde 2010 gehen die Tarifvertragsparteien übereinstimmend davon aus, dass von Versorgungsbetrieben neu gegründete Gesellschaften, die weiterhin überwiegend originäre Aufgaben gemäß § 1 Abs. 1 TV-V wahrnehmen (insbesondere Netz- und Netzservicegesellschaften), dem fachlichen Geltungsbereich des TV-V unterfallen.
In der Folgezeit haben die Gewerkschaften gleichwohl auf einer tarifvertraglichen Regelung bestanden. Durch den 8. Änderungstarifvertrag vom 2. Juli 2010 zum TV-V ist sodann eine Protokollerklärung zu § 1 Abs. 1 Satz 2 (also zu der tarifvertraglichen Begriffsbestimmung) ver...