Achim Stapf, Christoph Tillmanns
Ist einem Arbeitnehmer aus einer Gewissensnot heraus nicht zuzumuten, die an sich vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen (z. B. Teilnahme an einem Forschungsprojekt der Pharmaindustrie, Kontakt mit Alkohol), so stellt die Weigerung, derartige Tätigkeiten zu verrichten, keine Arbeitsverweigerung dar, ergibt sich hieraus eine Einschränkung des Direktionsrechts des Arbeitgebers. Diese nunmehr beschränkte Einsatzmöglichkeit des Arbeitnehmers vermag eine personenbedingte Kündigung zu rechtfertigen, wenn ein anderer Einsatz nicht möglich ist. Wusste der Arbeitnehmer von vorneherein, dass er bei der übernommenen Tätigkeit in Gewissens- oder religiöse Konflikte gerät, kann er im Fall einer personenbedingten Kündigung sich nicht auf seine Glaubensfreiheit berufen. Der Arbeitgeber muss aber dennoch prüfen, ob er den Arbeitnehmer sinnvoll "glaubensgerecht" weiter beschäftigen kann.
Der Arbeitnehmer war als Hilfsgärtner eingestellt worden. Zu dieser Tätigkeit gehörte auch die Arbeit als Bestattungsgehilfe. Dem Arbeitnehmer war als Angehörigem einer Sinti-Familie der Kontakt mit Leichen aus Glaubensgründen untersagt. Da dem Arbeitnehmer von vorneherein der entstehende Gewissenskonflikt klar war, konnte er sich nicht auf die Unwirksamkeit der Weisung, bei Bestattungen mitzuwirken, berufen.
Für die Beurteilung, ob ein Gewissenskonflikt vorliegt, ist das subjektive Gewissen bzw. der subjektive Glaube maßgeblich, unabhängig davon, ob dies in sich logisch und konsequent ist. Auch die Relevanz und die Gewichtigkeit der Gewissensbildung unterliegt keiner gerichtlichen Kontrolle. Ein Gewissenskonflikt liegt schon vor, wenn eine ernste sittliche, an den Kategorien "gut" und "böse" orientierte Entscheidung getroffen worden ist. Allerdings muss das Verhalten tatsächlich von einer religiösen Überzeugung getragen und nicht anders motiviert sein. Die Darlegungslast dafür liegt beim Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber muss bei der Ausübung seines Weisungsrechts auf einen ihm offenbarten Glaubenskonflikt Bedacht nehmen – eine zuwiderlaufende Arbeitsanweisung kann ermessensfehlerhaft sein. Die Weigerung des Arbeitnehmers, einer solchen Weisung nachzukommen, ist keine vorwerfbare Pflichtverletzung, kann aber eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn es dem Arbeitgeber nicht ohne größere Schwierigkeiten möglich ist, den Arbeitnehmer anderweitig sinnvoll einzusetzen. Beruft sich der Arbeitnehmer auf verbleibende Einsatzmöglichkeiten, hat er im Kündigungsschutzprozess zumindest in Grundzügen aufzuzeigen, wie er sich eine mit seinen Glaubensüberzeugungen in Einklang stehende Beschäftigung im Rahmen der vom Arbeitgeber vorgegebenen Betriebsorganisation vorstellt. Die Beschäftigung muss im Einklang mit der vom Arbeitgeber vorgegebenen Betriebsorganisation stehen. Der Arbeitgeber muss nicht einen neuen, glaubensgerechten Arbeitsplatz schaffen und nur freie Arbeitsplätze anbieten, also nicht Arbeitsplätze freikündigen. War für den Arbeitnehmer der Gewissenskonflikt vorhersehbar, muss der Arbeitgeber nur naheliegende Umsetzungsmöglichkeiten in Erwägung ziehen.
Vor Ausspruch einer Kündigung sollte ein klärendes Gespräch erfolgen, in dem auf die möglicherweise erforderliche Kündigung hingewiesen wird.